Die Salzburger Festspiele haben ihre kommende Spielzeit vorgestellt. Das Motto klingt disruptiv, das Opern- und Konzertprogramm ist es nicht. Große Namen, vertraute Namen, aber kaum Frauen in künstlerischer Verantwortung. Wie peinlich. Ein Kommentar.
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Die Zeit ist also aus den Fugen, zumindest nach Meinung der Salzburger Festspiele, die sich ihr Jahresmotto aus Shakespeares Hamlet klauen. Das ist zwar recht vage und wird in der Ankündigung auch nicht konkreter, stimmt aber natürlich auch irgendwie. Und viel interessanter ist sowieso, was sich daraus ableitet. Bei Shakespeare versucht sich Hamlet ja gleich nach dieser düsteren Zeitdiagnose daran, das, was da aus den Fugen geraten ist, wieder ins Lot zu bringen (was bekanntlich scheitert). Und auch die Festspiele fragen sich: "Kann die Kunst einer solchen Welt überhaupt etwas entgegensetzen?"
Hm. Naja. Da fielen einem natürlich sofort ein paar Dinge ein. Mal die Sponsoren auf schwarze Schafe checken zum Beispiel. Oder die Künstlerinnen und Künstler auch während einer Pandemie anständig bezahlen – derzeit droht den Festspielen ja eine arbeitsrechtliche Klage aufgrund eines angeblichen "Dumpingsystems". Aber okay – das Jahresprogramm ist vielleicht der falsche Ort, um solche "Peanuts" zu thematisieren. Also Konzentration auf die Kunst. Erster Eindruck: wenig disruptiv. Der aus den Fugen geratenen Zeit setzt man einfach Bewährtes entgegen. Die üblichen Verdächtigen machen verdächtig Übliches.
Lesen Sie hier das Interview, das BR-KLASSIK-Redakteur Bernhard Neuhoff im Sommer 2022 mit der neuen Präsidentin der Salzburger Festspiele Kristina Hammer geführt hat.
Verdi ist gleich zweimal vertreten: Welser-Möst und Warlikowski machen den "Macbeth" (wobei Asmik Grigorian ihr Rollendebut als Lady Macbeth gibt) , Ingo Metzmacher nimmt sich zusammen mit Christoph Marthaler den "Falstaff" vor. Pichon und Kusej machen Mozart ("Figaro") und Gianluca Capuano widmet sich mit Christoph Loy zusammen Glucks "Orpheus und Eurydike". Die einzige Überraschung bei den großen Operninszenierungen ist die Produktion von Bohuslav Martinus "Griechischer Passion". 1961 uraufgeführt, interessanter Stoff. Fast eine Art Meta-Nummer, weil die Oper selbst die transformatorische Kraft des Theaters thematisiert: Ein griechisches Dorf feiert Ostern mit der Aufführung der Passion – als eine Gruppe von Geflüchteten auftaucht und um Asyl bittet. Sozusagen ein christlicher Härtetest für die Dorfgemeinschaft, sie sich daraufhin in zwei Lager spaltet. Mal sehen, was der junge Dirigent Maxime Pascal und Regisseur Simon Stone daraus machen.
Falls Sie sich übrigens schon gefragt haben – ja, Sie sehen richtig: Bei keiner der großen Opernproduktionen ist eine Frau im Leitungsteam. Auch die konzertanten Produktionen werden von Männern dirigiert: Teodor Currentzis (mit seinem neuen Utopia-Orchester), Marco Armiliato und John Eliot Gardiner stehen bereit. Und auch das Konzertprogramm wird von einer Männermannschaft gestemmt: Unter anderem dürfen Christian Thielemann, Andris Nelsons und Riccardo Muti ihre Taktstöcke schwingen. Und wenn er bis dahin wieder gesund ist, auch Daniel Barenboim.
Was soll man dazu sagen: Das ist einfach eine richtig peinliche Nummer! Elim Chan ist die einzige Dirigentin, die die Festspiele im kommenden Jahr ans Pult lassen. Und die Schauspielsparte, die wesentlich diverser aufgestellt ist als der Klassikbereich, veranstaltet gleichzeitig einen Schwerpunkt zu Simone de Beauvoir. Über 70 Jahre "Das andere Geschlecht". Aha. Ironie können sie also in Salzburg. Zumindest beweisen sie anschaulich, dass der Feminismus so Not tut wie je. Auch wenn man bezweifeln darf, dass dieser Beweis Teil einer subtilen Programmstrategie von Markus Hinterhäuser ist.
Der ist übrigens auch im kommenden Jahr wieder als Pianist am Start – nämlich als Liedbegleiter von Matthias Goerne. Und er zeichnet zusammen mit Konzertchef Florian Wiegand einmal mehr verantwortlich für eine tolle Ouverture Spirituelle. Gubaidulina, Grisey oder Sciarrino – die Salzburger Festspiele arbeiten mit ihrem Renommee, das sie als Festival nunmal mitbringen, an der Kanonisierung Neuer Musik. Gute Sache. Genauso wie der Ligeti-Schwerpunkt, für den man sich kaum einen besseren Pianisten hätte holen können als den Superfeinmechaniker Pierre Laurent-Aimard.
Und sonst so? Viele, viele bekannte Namen: Igor Levit, Grigori Sokolov, Andras Schiff, Martha Argerich, Isabelle Faust, Patricia Kopatchinskaja und so weiter. Top Musikerinnen und Musiker. Wird bestimmt eine feine Sause im Sommer. Nur hätte die vielleicht ein anderes Motto verdient. Wie wäre es mit was biblischem: Nichts Neues unter der Sonne.
Eine Übersicht über das Programm der Salzburger Festspiele finden Sie hier.
Sendung: "Leporello" am 9. Dezember 2022 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (11)
Montag, 12.Dezember, 19:03 Uhr
Ragnar Dannesjkoeld
Noch peinlicher: Hörer*innen...
wie Lena Luke Lose, die Kommentierende in einem Kommentarforum der Peinlichkeit zeihen, ohne genau zu sagen, was denn nun eigentlich peinlich sei.
Montag, 12.Dezember, 09:35 Uhr
Lena Luke Lose
Auch peinlich: die BR-KLASSIK-Hörer:innen...
...die hier kommentieren.
Sonntag, 11.Dezember, 17:46 Uhr
Adalbert Mack
Dümmlicher Kommentar
Der Verfasser sollte ein gutes Beispiel geben und die Allgemeinheit zukünftig von seinen verqueren Einsichten verschonen.
Sonntag, 11.Dezember, 02:33 Uhr
Luca Ronconi
Überhaupt nicht peinlich, im Gegenteil
Ich kann mich den anderen Kommentaren nur anschließen. Sehr aufschlussreich, dass hier alle ähnlich auf diesen sehr speziellen Text reagieren. Ich würde sagen: Nein, die wie immer an höchster Qualität orientierten und mit sensationellen Namen aufwartenden Salzburger Festspiele sind es nicht, die hier peinlich sind - weil sie sich eben nicht von gerade modischen politischen Ideologien leiten lassen, sondern einfach nur vom Willen, das Beste und die Besten zu bieten (sofern die verfügbar sind).
Samstag, 10.Dezember, 17:45 Uhr
Gabriele Gellert
So ein dummer Kommentar!
Keine Frauenquote um jeden Preis, sondern die Qualität sollte im Vordergrund stehen.
Samstag, 10.Dezember, 14:56 Uhr
Christian Gohlke
Quotenquatsch
Ich kann mich den Vorrednern nur anschließen. Wenn es Herrn Stosiek ernst ist mit seiner Kritik, sollte er - als Mann - seinen Griffel sinken lassen für alle Zeit.
Samstag, 10.Dezember, 12:19 Uhr
Ragnar Danneskjoeld
Mann, Mann, überall Mann...
Und nicht zu vergessen: Falstaff, Macbeth und Figaro werden ebenfalls von Männern gesungen. Sexismus, wohin man blickt. Schlimm, schlimm, schlimm.
Samstag, 10.Dezember, 09:52 Uhr
Gufo
Männerverein
Der Paritätsunsinn hat nun auch zumindest in den Augen des Autors die Salzburger Festspiele erreicht. Mein Vorschlag zur Güte: Wir zählen sämtliche Mitwirkenden zusammen ( vom Dirigenten bis zum Toilettenmann ( sic!)- und wenn dann die Männer immer noch in der Überzahl sind, rufen wir die Frauenbeauftragte an, auf dass sie die geheiligte Parität herstelle. Nein im Ernst: Lassen wir doch bitte die Leistung entscheiden und nicht das Geschlecht !
Freitag, 09.Dezember, 17:46 Uhr
Karin Böhm
Salzburger Männerverein
Es geht mir wirklich so auf den Wecker, diese endlose Schreierei nach ausgewogener Quote!Diese Zwanghaftigkeit, schrecklich!
Mir ist völlig egal, WER komponiert hat, WER dirigiert, etc. Es muss einfach NUR GUT sein!
Nicht mehr und nicht weniger!
Karin Böhm
Freitag, 09.Dezember, 16:57 Uhr
W. Viereck
Peinlich ist allenfalls die plumpe Art und Weise, wie hier argumentiert wird. Volle Breitseite gegen (fast) alles, was bei den Festspielen geboten wird, sodass mir nicht klar wird, was der Verfasser mit seinem Kommentar überhaupt aussagen will.
Freitag, 09.Dezember, 15:11 Uhr
Attia Petyar
Salzburger Männerverein
Lieber Herr Stosiek!
Peinlich ist nur dieser Artikel mit dem abgelutschten Gender-Wahnsinn. Lassen Sie sich bitte mal was anderes einfallen und schreiben Sie wieder, wenn Sie über das Festivalprogramm etwas sachliches und informatives zu berichten haben. Sonst kehren Sie bitte vor Ihrer eigenen Tür und kommentieren Sie beispielweise die Münchner Opernfestspiele. Da können Sie sich gerne austoben.
Niemand hat irgendeiner Frau verboten, in Salzburg auf dem DirigentInnen-(ist das so richtig ge-gendert?)-Pult zu stehen.
Lustigerweise erwähnen Sie jedoch nicht, dass der Orfeo und der Nathan jeweils von einer Frau gesungen bzw. gespielt werden.