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Concertgebouw cancelt Jerusalem Quartet Kommentar - Nicht nur feige, sondern fatal

Eine Entscheidung, die große Empörung hervorgerufen hat, auch, aber nicht nur in der Welt der klassischen Musik: Das Amsterdamer Concertgebouw hat zwei Konzerte des berühmten "Jerusalem Quartet" aus Israel abgesagt. Begründung: Sicherheitsbedenken wegen angekündigter pro-palästinensicher Proteste. Gegen diese Entscheidung gab es eine Online-Petition, die so berühmte Musikerinnen und Musiker wie Martha Argerich und Evgeny Kissin unterstützen. Nun soll eines der beiden Konzerte doch stattfinden. Der entstandene Schaden ist trotzdem immens, meint Bernhard Neuhoff in seinem Kommentar.

Jerusalem Quartett: Alexander Pavlovsky Violine, Sergej Bresler Violine, Ori Kam Viola und Kyril Zlotnikov Violincello | Bildquelle: picture alliance / SZ Photo | Manfred Neubauer

Bildquelle: picture alliance / SZ Photo | Manfred Neubauer

Die Absagen in Amsterdam sind fatal. Auch wenn die beiden Konzerte des Jerusalem Quartet nun nachgeholt werden sollen (ein Termin steht noch nicht fest). Immerhin haben die Verantwortlichen des Concertgebouw offenbar kapiert, dass sie einen kapitalen Fehler gemacht haben. Doch der Schaden, den sie angerichtet haben, bleibt immens.

Protest wegen politischer Positionen oder Herkunft?

Um zu verstehen, warum dieser Vorgang so bedrohlich ist, sind zwei Dinge sehr genau zu unterscheiden. Demos gegen Künstlerinnen und Künstler, die sich letztlich gegen die Politik des Landes richten, aus dem sie kommen, können verschiedene Motive haben. Es macht einen großen Unterschied, ob jemand wegen seiner politischen Haltung oder bloß aufgrund seiner Herkunft abgelehnt wird.

Wenn Demonstrationen den Auftritt von Musikern stören, weil diese sich in irgendeiner Form politisch äußern oder das früher getan haben, dann ist das meistens eine schlechte, weil ungeeignete Form des Protests. Aber nicht per se undemokratisch. Naheliegendes Beispiel: die Proteste bei Konzerten von Anna Netrebko. Wir können und müssen darüber diskutieren, ob das fair und ob das der richtige Ort ist. Aber: Wenn die Protestierenden gegen Netrebko sind, weil sie in der Vergangenheit einen Politiker wie Putin aktiv unterstützt hat, bleiben diese Proteste erstmal prinzipiell OK. Ganz anders sähe es aus, wenn gegen einen Künstler nur deshalb protestiert würde, weil er oder sie russisch ist. Wer das tut, handelt keineswegs demokratisch.

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Das Jerusalem Quartet wird von pro-palästinensischen Aktivisten attackiert, weil es jüdisch ist

Jerusalem Quartet | Bildquelle: © Felix Broede "Aus Sicherheitsgründen" angesichts der angekündigten pro-palästinensischen Demonstrationen wurden zwei Konzerte des Jerusalem Quartet abgesagt. | Bildquelle: © Felix Broede Genau das ist der Fall bei den Störaktionen pro-palästinensischer Aktivisten gegen das israelische Jerusalem Quartet. Selbstverständlich ist der Nahost-Konflikt ganz anders gelagert als der Eroberungsfeldzug gegen die Ukraine. Auch darüber können und müssen wir debattieren. Unbestreitbare Tatsache aber ist: Das Jerusalem Quartet hat sich in den fast 30 Jahren seines Bestehens niemals politisch in irgendeiner Form positioniert.
Ganz egal, wie man das bewertet – in jedem Fall bedeutet das, dass die Proteste und Störungsversuche diese Künstler aus einem einzigen Grund treffen: wegen ihrer Herkunft. Ihren Namen "Jerusalem Quartet" tragen die vier übrigens ganz einfach deshalb, weil sie sich in Jerusalem zusammengefunden haben. Sie werden von den pro-palästinensischen Aktivisten nicht abgelehnt, weil sie eine bestimmte politische Richtung unterstützen – sondern einfach nur, weil sie Juden aus Israel sind.

Amsterdamer Concertgebouw: schlechte Entscheidung

Deswegen war die Entscheidung des Amsterdamer Concertgebouw nicht nur feige. Sondern sie schadet unseren wichtigsten Werten. Eine mächtige Institution wie das Concertgebouw darf nicht in vorauseilendem Gehorsam vor Drohungen zurückweichen. Sie muss wenigstens versuchen, wenn nötig mit Hilfe der Polizei, diesen vier Künstlern einen Auftritt zu ermöglichen. Musik ist nie unpolitisch. Aber Künstler nur aufgrund ihrer Herkunft abzulehnen, ist eine der schlechtesten Formen von politischem Handeln. Das dürfen wir nicht dulden.

Update vom 17. Mai 2024

Simon Reinink, General Manager des Concertgebouw, hat ein Statement zur Kritik an der Konzertabsage auf den Online-Seiten des Hauses veröffentlicht. Darin versichert er u.a., dass weiterhin alle Musiker im Haus willkommen seien. Eines der beiden ursprünglich geplanten Konzerte soll nun am 18. Mai doch stattfinden.

Sendung: "Leporello" am 16. Mai ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (8)

Kommentieren ist nicht mehr möglich.

Montag, 27.Mai, 14:31 Uhr

Trappe

@Brinkmann

Nein Frau Brinkmann, das halte ich für gänzlich falsch. Musiker sind und bleiben professionell Musiker, sie müssen und meines Erachtens nach - eben aus aktuellem Anlass - sollen auch politisch sich nicht äußern. Wieso soll das Quartett politisch Stellung beziehen müssen? - Das ist aus meiner Sicht absurd, ihr Beruf ist die Musik, nicht die Politik.
Dieses ständige Moralisieren und mit dem Finger auf andere zu deuten, das ist für mich primitiv und niveaulos, sollten wir entsprechend der niederen Gesellschaft überlassen.
Das Quartett verhält sich vollkommen richtig, sie machen von ihrem Recht Gebrauch, schweigen zu wollen. Entsprechend hat das Quartett auch kein Aufführungs-"Verbot" zu erleiden. Die Verantwortlichen hatten hier falsch gehandelt.

Montag, 27.Mai, 13:17 Uhr

Ulrike Brinkmann

Nicht sprechen, sich nicht politisch äußern als Israeli ist angesichts der durchgehenden Menschenrechtsverletzungen der israelischen Regierung auch politisch. Es ist die Frage ob die Proteste gegen das Quartett tatsächlich antisemitisch sind oder sich gegen das Schweigen der Musiker zu den Positionen der radikalen Regierung Israels, das angesichts der aktuellen Ereignisse sehr laut ist.

Mittwoch, 22.Mai, 21:58 Uhr

Trappe

Konsequenzen?

Mir scheint, dass das Concertgebouw drohendem Ungemach bzw Unbehagen aus dem Weg gehen wollte. Leider an falscher Stelle, denn dieses Quartett lässt nur die Musik sprechen!
Es bleibt, dass die Trennung von Musik und Politik erfolgen muss. Das bedeutet aber auch, dass zB. Netrebko, die sich gar nicht politisch äußert, auch nicht auszuladen ist. Ebenso möchte ich keine politische Meinung von Musikern hören, (zB Levit), die sollen als Musiker die Musik sprechen lassen.
Fazit: Lasst die Musik sprechen, keine politischen Aussagen, Trennung von Politik und Kunst!

Mittwoch, 22.Mai, 16:00 Uhr

Dr.Dagmar Saval Wünsche

Konzert-Absage Jerusalem Quartett

Es liest sich wie ein dejà vue ... z.B. nachzulesen in Bruno Walter Thema und Variationen, S.416 über die Absage des Konzerts in Leipzig Mitte März 1933 unter Androhung der Gewalt durch die Nationalsozialisten ... die Liste dieser "Absagen" , die schon viel früher beginnt, mit z.B. mit der Störung durch Schlägertrupps der Nazis der Filmpremiere von !In Westen nichts Neues", 1929 ... ic könnte noch weiter zurückgehen ... steuern wir auf eine Zeit zu, die mit Mitteln des Terrors ein redivivus des Terrors - nicht nur des Antisemitismus im Gepäck führt ? Europa quo vadis? Mit freundlichen GRüßen Dagmar Saval Wünsche

Samstag, 18.Mai, 22:00 Uhr

Edeltraut Zschau

Konzertabsage des Jerusalemer Quartett

Danke, für die klaren Worte. Es erfüllt mich mit tiefer Betroffenheit, wie mittlerweile gegen Israelis agiert wird.
Es erfüllt mich mit absolutem Unverständnis, das vor eventuellen pro- palästinensischen Demo's schon im Vorfeld fatale Entscheidungen getroffen werden. DAS darf nicht geschehen. Natürlich darf und muss die Situation zwischen Israelis und Palästinensern kritisch betrachtet werden - aber NICHT so.

Freitag, 17.Mai, 09:35 Uhr

Christina Meissner

Einknicken vor der Gewalt

Vielen Dank für die klaren Worte! Wie weit sind wir gekommen, wenn altehrwürdige Institutionen wie das Concertbebouw in Amsterdam oder das Trinity College in Dublin, beide seit Jahrhunderten Träger europäischen Geisteslebens, vor dem gewalttätigen, rassistischen und antisemitischen Mob einknicken? Wo bleibt der Aufschrei un der europäischen / deutschen Gesellschaft? Wo bleiben hier die "Nie-wieder-ist-jetzt"-Schreie???

Freitag, 17.Mai, 08:18 Uhr

Marianne Spahr

Jerusalem Quartett

Ganz ganz schlecht für uns alle!!
Musiker sind unsere besten Botschafter,zumal ein solch tolles Quartett

Freitag, 17.Mai, 01:05 Uhr

Lothar Schulze

Absage von Konzerten des Jerusalem Quartet

Ich finde es skandalös, daß sich ein Haus wie das Concertgebouw dem Israel feindlichen, eliminatorischen Antisemitismus der Palästinenser anschließt. Das in einem Land, in dem durch die Shoah der deutschen Besatzer im Zweiten Weltkrieg der größten Teil seiner jüdischen Mitbürger ermordet wurde. Man sollte das Concertgebouw boykottieren!

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