Gustav Mahler und Bayern – das ist keine ganz enge Beziehung. Intensiv ist sie trotzdem. Er hätte sich vorstellen können, in München zu leben – dazu gekommen ist es nicht. Wenn er hier war, hat er im Hotel gewohnt. Aber drei seiner großen Werke wurden in München uraufgeführt.
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Diese Straße hat er nicht verdient: Parkplätze, eine Ladestation für Elektroautos, ein paar gesichtslose Häuser, ein bisschen vernachlässigtes Grün – und, jetzt kommt’s: gerade mal 137 Meter lang! Die Stadt München hat sich bei ihrer Gustav-Mahler-Straße in Freimann mit der Erinnerung an den großen Komponisten nicht gerade übernommen. Dabei hatte Mahler ein Faible für die Stadt.
"Wenn es so weitergeht", so schreibt Gustav Mahler im Oktober 1908 aus dem Hotel "Vier Jahreszeiten" an seine Frau Alma, "so sind diese Tage für mich nur eine Erholung. München hat ein herrliches Klima, und ich befinde mich hier jedesmal riesig wohl, wenn nicht außerklimatische Umstände mich herunterbringen."
Zu den außerklimatischen Umständen gehört seine komplizierte Ehe. Der Tod der ersten Tochter im Sommer 1907 hat die Eltern nicht zusammengeschweißt – im Gegenteil. Nach München kommt er allein – Alma fährt lieber zur Kur. Doch Gustav gibt nicht auf, schreibt ihr, seinem "geliebten, wahnsinnig geliebten Almschili", Telegramm um Telegramm.
Programmzettel der Uraufführung der 8. Sinfonie von Gustav Mahler am 12. September 1910 in München. | Bildquelle: picture-alliance/dpa
Im selben Jahr noch gibt er seinen Posten als Wiener Hofoperndirektor auf. Er scheidet im Groll. Spätestens nachdem das Publikum eine "Tristan"-Vorstellung auspfeift, hat er genug von den Ignoranten, die das Neue, das er ihnen anbieten will, mit Füßen treten.
"Immer mehr und mehr mache ich mich mit dem Gedanken vertraut, eventuell vielleicht nach München zu übersiedeln. Was meintest du dazu? Um 3000 Mark kann man hier ein Schloss mit einem Park bekommen, und das Leben ist hier faktisch um die Hälfte billiger als in Wien. Mit unserem Einkommen lebt man hier wie ein Fürst." Auch die Wohnung, die er im Hotel habe, sei wieder "allerliebst" – und gar nicht teuer.
Ich möchte Dir nur wünschen zu sehen, wie mollig ich es habe. Badezimmer ist auch dabei.
1897 ist Gustav Mahler zum ersten Mal an die Isar gekommen, vier Jahre später hebt er hier seine vierte Sinfonie aus der Taufe. Der Erfolg ist zwar mäßig, aber es bleibt nicht seine einzige Münchner Uraufführung. Er mag die Stadt "mitten in Europa – nach allen Seiten die wundervollsten Verbindungen!" Und später sagt er tatsächlich: "Überall ist es hübscher und wohnlicher als in Wien." Da hat er wohl den bayerischen Föhn noch nicht zu spüren bekommen.
In München wird Gustav Mahler zum Poeten. Seine Briefe fließen über vor Behaglichkeit und Wohlbefinden: "Im besten Wohlsein eingetroffen – dann munter ins Hotel geloffen, gebadet und Kaffee gesoffen."
Gustav Mahler probt seine 8. Sinfonie 1910 in München. | Bildquelle: picture-alliance/dpa Mahler lernt den Konzertagenten Emil Gutmann kennen, der von Wien nach München gezogen ist. Mit ihm feiert er am 12. September 1910 seinen größten Münchner Triumph – die Uraufführung seiner achten Sinfonie in der neuen, riesigen Musik-Festhalle auf der Schwanthaler Höhe. Heute ist die Halle eine Außenstelle des Deutschen Museums. Die gigantische Besetzung mit über 1.000 Mitwirkenden wird für die 3.000 Zuhörer und Zuhörerinnen zum erschütternden Erlebnis: der schon schwer herzkranke Gustav Mahler steht selber am Pult und stemmt das Mammutwerk mit letzter Kraft und schier übermenschlicher Energie. Nach dem letzten Ton ergriffene Stille – dann jubelt das Publikum, darunter Richard Strauss, Max Reinhardt, Thomas Mann, Arnold Schönberg und viele andere, eine halbe Stunde lang.
Mahler ist selig und will auch sein "Lied von der Erde" in München uraufführen. Am 20. November 1911 ist es so weit. Bruno Walter leitet dieses, wie er sagt, "letzte Bekenntnis eines vom Tode Berührten." Gustav Mahler ist nicht mehr dabei – er ist im Mai gestorben.
Sendung: "Leporello" am 15. Oktober 2024 um 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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