"Hundert Prozent Qualität bei halben Kosten" erhofft sich die Bayerische Staatsregierung beim Bau eines neuen Konzertsaals am Münchner Ostbahnhof. Die Fertigstellung ist jetzt für 2036 vorgesehen – doch es gibt immer mehr Skeptiker und grundsätzliche Zweifel am Projekt.
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Unternehmer mögen es bekanntlich gar nicht, wenn nichts unternommen wird. Da wird es Werner Eckart nicht anders gehen, dessen Vorfahren in der Nähe des Münchner Ostbahnhofs die "Pfanni"-Fabrik bauten. Dort wurden bis 1996 Kartoffelpulver produziert, inzwischen sind in dem Werksviertel schicke Büros und Veranstaltungsräume entstanden. Und mittendrin soll eines Tages ein neuer Konzertsaal für etwa 2.000 Zuschauer stehen.
Aber wird es jemals dazu kommen? Die Zweifel mehren sich, wohl auch bei Grundstückseigentümer Werner Eckart, obwohl der sich öffentlich bisher mit keinem Wort äußerte. Fest steht: Der Freistaat hat die gesamte bisherige Planung kassiert und will bei Null anfangen, um das Projekt deutlich billiger zu machen. Von einer "Redimensionierung" war die Rede, konkret soll das Projekt rund 500 Millionen Euro statt 1,3 Milliarden Euro kosten, wobei diese Schätzung sehr umstritten ist und auch schon mal als "Fantasiezahl" bezeichnet wurde.
Baustellenloch auf dem Grundstück für den geplanten Konzertsaal im Münchner Wersviertel. | Bildquelle: picture alliance / SZ Photo | Stephan Rumpf
Wie auch immer: Der Freistaat hat sich im Dezember 2016 gegenüber Werner Eckart in einem Erbpachtvertrag verpflichtet, auf dem Grundstück im Werksviertel innerhalb von zehn Jahren ein Konzerthaus zu bauen. An diesen Zeitplan ist natürlich nicht mehr zu denken, die Frist läuft 2026 ab. Wie es heißt, könnte der Freistaat den Vertrag erstmals nach 88 Jahren kündigen. Werner Eckart muss sich also überlegen, ob er auf Vertragsbruch klagt. Dem Immobilienunternehmer dürfte es auf eine baldige Belebung des Werksviertels ankommen, nicht erst in weiteren zwölf Jahren.
Wie es um seine Stimmung bestellt ist, ist leicht nachzuvollziehen: Werner Eckart hätte das "Filet"-Grundstück deutlich lukrativer vermarkten können und stellt jetzt fest, dass seine "generöse" Geste für den Kulturstandort München bis auf Weiteres verschmäht wird. Er dürfte von der Politik schwer enttäuscht sein, die sich erst selbst eine "Denkpause" verordnete und dann einen kompletten Neustart hinlegte.
Kaufleuten ist so ein Verhalten schwer vermittelbar, denn die bisherigen, millionenschweren Planungskosten sind ja weitgehend abzuschreiben, auch, wenn es von Politik heißt, dadurch seien ja wertvolle Erkenntnisse für das weitere Projekt gewonnen worden. Das Vertrauen zwischen Investor und Staatsregierung sei "hin", ist hinter den Kulissen zu erfahren, zumal die bisherigen Gespräche mitunter wohl auch ziemlich gereizt verliefen. Ob Eckart wirklich klagt, ist noch nicht ausgemacht. Er wird sich das gut überlegen, denn das würde ja diese angeknackste Beziehung weiter schädigen. Und gerichtliche Auseinandersetzungen, gleich welcher Art, haben Bauprojekte noch nie beschleunigt. Der Instanzenweg ist lang und ungewiss.
So sollte das neue Münchner Konzerthaus aussehen. Nun wird neu geplant und "redimensioniert". | Bildquelle: Bayerischer Rundfunk 2024 Andererseits: Der Freistaat will das Konzerthaus "abspecken", die Tiefgarage verkleinern, einen Kammermusiksaal weglassen, wohl auch etliche Büros für die Musikhochschule und Handelsflächen einsparen. Von einem ehemals als repräsentatives Kulturzentrum angedachten Projekt bliebe nur noch ein Saal für Klassikliebhaber übrig. Ob das "generationengerecht" wäre und das Werksviertel vitalisiert, sei dahingestellt. Immobilien-Entwickler wie Eckart wollen ja nicht nur ein Publikum anlocken, das abends für wenige Stunden präsent ist und danach schnell wieder abreist, sondern das Gelände möglichst ganztägig mit Gastronomie, Handel, Büros und Hotels beleben. Das Konzerthaus könnte also mit einer Musikalienhandlung und Instrumentenbauern, auch mit Restaurant oder Weinbar in dieses Konzept eingepasst werden – vorausgesetzt, die räumlichen Dimensionen geben das her, was jetzt eher unwahrscheinlich scheint.
Städteplanerisch wie wirtschaftlich hat eine "Redimensionierung" womöglich unerwünschte Folgen, zumal sich Popmusik-Veranstalter schon fragen, ob auch ihre Bedürfnisse berücksichtigt werden: Niemand weiß derzeit, wie sich der akustisch hochwertige Saal mit verstärkter Musik vertragen wird. Insgesamt stehen jetzt noch ein paar zusätzliche Fragezeichen hinter dem Projekt, das in den nächsten Jahren mehr Juristen als Bauingenieure beschäftigen könnte.
Sendung: "Leporello" am 17. Juli 2024 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (1)
Mittwoch, 17.Juli, 16:36 Uhr
Roman
Neuer Konzertsaal
Ob das Konzerthaus in abgespeckter Version mit seiner kompletten Neuplanung und der enormen zeitlichen Verzögerung tatsächlich signifikant günstiger wird, erscheint doch eher unwahrscheinlich.
Wie wäre es mit einer “Neuschwanstein-Lösung”?
Das Projekt wird zeitnah nach den aktuellen Plänen begonnen. Jedoch wird bis auf Weiteres lediglich der große Saal, fertig gestellt, einschließlich Foyer, Garderoben und allem, was zu dessen Betrieb vonnöten ist. Die anderen Bereiche des Hauses belässt in einer Art Rohbau, den man zukünftig auch schrittweise ausbauen könnte…?