"Ich bin einer Opernfamilie aufgewachsen; den richtigen Klang hatte ich immer im Kopf." Das sagt Asmik Grigorian. Die litauische Sopranistin ist seit über zehn Jahren international im Geschäft; in den Olymp gesungen hat sie sich spätestens 2018 mit ihrem Sensationserfolg als Salome bei den Salzburger Festspielen, wo sie seitdem regelmäßig zu Gast ist und heuer als Lady in Giuseppe Verdis "Macbeth" auf der Bühne des Großen Festspielhauses steht. Am 16. August war sie im Haus für Mozart auch mit einem Liederabend zu erleben. Auf dem Programm: ausschließlich Rachmaninow.
Bildquelle: SF/Marco Borrelli
Als Asmik Grigorian nach der Pause im Lied "Dämmerung" die ersten sechs Töne in den Saal schickt, sanft wie auf einem weichen Kissen, wird es plötzlich mucksmäuschenstill im Publikum. Zu Beginn des Abends konnte man meinen, einige Bronchitispatienten hätten vergessen, ihre Tickets rechtzeitig an gesunde Bekannte weiterzugeben. Aber wie durch ein Wunder greift jetzt die Magie dieser Stimme und zieht das Auditorium in Bann.
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Asmik Grigorian ist ein Bühnentier, eine singuläre Darstellerin, die ein untrügliches Gespür hat für die richtige Geste, den richtigen Blick und die richtigen Reaktionen. Eine Meisterin, die keine Sekunde aus der Rolle fällt. Wobei sie selber sagen würde, Rolle sei das ja gar keine, das sei ja alles sie. Hier, im intimen Rahmen eines Liederabends, wird man dieser Qualitäten auch in ihrer Stimme gewahr. In immer neuen Nuancen transportiert sie Rachmaninows Liederwelt, erzählt von verlorener Heimat und vergangener Liebe, von verwundeten Seelen und vom Greisenalter, das bald kommen möge. Wechselt innerhalb einer Phrase unvermittelt Farbe und Dynamik. Diese Stimme glüht und brodelt im Piano und öffnet sich mit gleißender Pracht im kontrollierten Fortissimo – wie eine schöne Blüte im Zeitraffer. Das sind keine Liedchen, das sind melancholisch verhangene oder expressive Minidramen. Sie greifen und ergreifen uns. Ihre Schwermut lässt uns betroffen, fasziniert oder fassungslos zurück, doch zieht sie uns auf mysteriöse Weise nie runter – weil sie ganz selbstverständlich Teil dieser dunkel schimmernden Welt ist. Und Asmik Grigorians herrlich aufblühender Spinto-Sopran leuchtet wie rubinroter Samt ...
Erleben Sie Asmik Grigorian als Lady Macbeth in Giuseppe Verdis Oper "Macbeth" in der diesjährigen Produktion bei den Salzburger Festspielen. Hier geht es zum Video.
Bildquelle: SF/Marco Borrelli Was ist Musik? Das wurde Rachmaninow einmal gefragt. Seine Antwort: eine ruhige Mondnacht; das Rauschen der Blätter; entferntes Abendläuten; das, was von Herz zu Herz geht; die Liebe. All das ist an diesem Abend zu erahnen, zu spüren, zu hören.
Am Steinway-Flügel sitzt mit dem 33-jährigen Lukas Geniušas ein zweiter Rachmaninow, mit geheimnisvollen Zauberkräften auch er. Das perlt elegant und weich und ungeheuer präzise. Und in seinen Soli mischt er sich unter das Gewusel von Mussorgskis Jahrmarkt von Sorotschinzi, lässt Rimski-Korsakows Hummeln fliegen und Rachmaninows in unzähligen Farben schillernde Wasserfluten rauschen – und kein einziger Ton verschwindet im Pedalnebel. Geniušas ist kein Begleiter – er ist ein ebenbürtiger und beglückender Geschichtenerzähler und Stimmungsträger.
90 Lieder hat Rachmaninow zwischen 1893 und 1916 geschrieben. Asmik Grigorian hat mit ihrem phänomenalen Pianisten schon eine ganze CD damit gefüllt. Den großen Rest wollen die beiden noch aufnehmen. Und wir wollen sie alle im Konzert hören.
Sendung: "Allegro" am 17. August 2023 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (2)
Freitag, 18.August, 10:02 Uhr
Fred Keller
Die Magierin
sehr blumig?
Ich hörte das Programm vor einigen Monaten im kleinen Rahmen in Kärnten - Burg Taggenbrunn. Makellos bodenständig vorgetragen, aber magisch?
Donnerstag, 17.August, 10:19 Uhr
Dr.Norbert Rinner
Liederabend Asmik Grigorian
Einfühlsame Texte, vom Komponisten wunderbar vertont und von Asmik Grigorian perfekt vorgetragen, ein sensationeller Liederabend!