Regie-Altmeister Peter Konwitschny schließt seinen "Ring" mit einer Untergangs-Fabel ab: Wagners Götter hausen als Steinzeit-Nomaden in Jurten und wandeln sich durch das titelgebende Gold zu greisen Zivilisationsopfern, die der atomaren Katastrophe in Rollstühlen applaudieren.
Bildquelle: Thomas M. Jauk
An diesem Opernabend bleiben wirklich keine Fragen offen, was sich heutzutage ja selten behaupten lässt. Oft stellen Regisseure das Publikum vor Rätsel, der inzwischen 79-jährige Peter Konwitschny gehört definitiv nicht dazu. Er sieht sich seit Jahren als Untergangsprophet, hat den Glauben an die Menschheit im Allgemeinen und die Zivilisation im Besonderen längst verloren und macht sich nicht mehr die Mühe, die seiner Meinung nach absehbare Katastrophe mit ein paar Hoffnungsfunken auszuleuchten. Und so beginnt seine Deutung von Richard Wagners "Rheingold" 10.000 Jahre vor Christus, zu der Zeit, als die Menschen ihr Nomadendasein aufgaben und sesshaft wurden.
Noch tragen die Götter Felle und hausen in Jurten, aber schon bald werden sie vom Glanz des Goldes geblendet, bauen sich Burgen und verschreiben sich dem Besitz statt der Freiheit. Am Ende sitzen sie völlig vergreist im feinen Zwirn in Rollstühlen, greifen zu Tabletten und Hörrohr und lassen sich von den Rheintöchtern von Zeit zu Zeit den Schweiß abwischen. Dazu regnet es das Wagner-Textzitat in den Theatersaal: "Falsch und feig ist, was dort oben sich freut!" Deutlicher geht Kapitalismuskritik nun wirklich nicht. Und wer das immer noch nicht verstanden hatte, der durfte seine Augen auf eine Batterie von Atomsprengköpfen richten, mit denen sich der Riese Fafner in den Untergrund zurückzog. Die offenbar dementen Götter spenden Beifall.
Klar, das war momentweise komisch, gelegentlich grotesk, aber insgesamt wenig fesselnd – obwohl, manche können ja auch das berühmte "Schwarze Quadrat" von Kasimir Malewitsch durchaus länger betrachten und haben dann Visionen. Die Zuschauer an der Oper Dortmund waren allerdings nicht durchweg begeistert von dieser Arbeit des Regie-Altmeisters: Die Steinzeit-Keule, die auf der Bühne im Einsatz war, wirkte wie ein Sinnbild dieser Inszenierung.
Wirklich lähmend allerdings war das Dirigat von Gabriel Feltz. Es stimmt schon, Richard Wagner wollte das "Rheingold" nicht mit stetig zunehmender Lautstärke beginnen, wie es zutreffend dem Programmheft zu entnehmen war, aber das dieses ganze Musikdrama deshalb von vorn bis hinten vor sich plätschern soll, meinte er damit gewiss nicht. So zahn- und kraftlos war das Werk selten zu hören. Bleischwer schleppte sich das musikalische Geschehen dahin. Im Herbst wechselt Generalmusikdirektor Feltz von Dortmund nach Kiel, womöglich fehlte ihm daher die Motivation, das Orchester noch einmal emotional mitzureißen.
Unter den Solisten überzeugte vor allem Joachim Goltz als Alberich: Ein prähistorischer, zotteliger Angler, der zum modernen Rüstungsfabrikanten wird, weil er der Liebe entsagt, das war ein so beklemmendes wie schlüssiges Rollenporträt. Auch Matthias Wohlbrecht als Feuergott Loge zeigte Format: Ein Zaungast des Untergangs, der sich in Ruhe eine Zigarette anzündet, während die Welt zu Schanden geht. Tommi Hakala als Wotan und Ursula Hesse von den Steinen als dessen besorgte Ehefrau Fricka blieben stimmlich wie darstellerisch blass. Besser machte es Denis Velev als schwer verliebter Riese Fasolt, dem man ein romantisches Abenteuer von Herzen gegönnt hätte. Er wird stattdessen ein Opfer des Fortschritts. Insgesamt ein fabelhaftes "Rheingold", aber das Fabelhafte ist in diesem Fall wörtlich zu verstehen.
Sendung: "Allegro" am Freitag, 10. Mai ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (3)
Samstag, 11.Mai, 23:40 Uhr
Patricia M.
Rheingold
Ich habe die Premiere ebenfalls besucht und mir hat die Vorstellung gut gefallen. Auch das Orchester fand ich nicht langweilig und zäh.
Insgesamt war die Aufführung kurzweilig und interessant gestaltet. Natürlich gab es Elemente, z.B. die Regenbogenflugblätter, die sonderbar waren, aber das störte nicht. Die Sängerinnen und Sänger - darunter viele Gäste - waren sehr gut ausgewählt.
Freitag, 10.Mai, 20:48 Uhr
Andreas Seger
Kritik Rheingold
Danke für die Kritik, genau so habe ich die Premiere auch empfunden. Ich fand es grausam. Puristisches Bühnenbild, ein zähes und langweiliges Dirigat und eine Symbolik, die sich erst nach Erläuterung durch die Regie erschließt. Und zu guter Letzt noch Regenbogenflugblätter, ohne LGBT und kulturelle Vielfalt geht wohl gar nichts mehr.
Freitag, 10.Mai, 20:40 Uhr
Thomas Bernauer
Dortmunder Ring geschlossen?
Ach, Herr Jungblut, wenn man glaubt, fortwährend über Russland schreiben zu müssen, dann geht schon einmal der Überblick im angestammten Ressort verloren. Peter Konwitschnys Dortmunder Ring schließt sich erst im kommenden Jahr.
Es grüßt Ihr Thomas Bernauer, geb. Renger