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Nachruf Sofia Gubaidulina Schillernde Gärten der Stille

Auch wenn in ihrer niemanden kalt lassenden Musik die Macht von Zahlen wirksam ist: Sie zählte nie zu jenen Komponisten, die, ähnlich wie Architekten mit klingenden Proportionen etwas "bauen". Eher verglich sie ihr musikalisches Arbeiten mit einem Züchten und Hegen in der Art eines liebenden Gärtners. Sofia Gubaidulina verstand sich darauf, die Unerbittlichkeit der Zeit zu verwandeln, aufzuheben, und Resonanzen zu ermöglichen mit dem Klang einer namenlosen Präsenz. Nun ist die große tatarisch-russische Klangmetaphysikerin gestorben.

Sofia Gubaidulina | Bildquelle: picure aliance/dpa

Bildquelle: picure aliance/dpa

Geboren 1931 im landwirtschaftlich geprägten Städtchen Tschistopol in der Tatarischen Republik, war Sofia Gubaidulina von früher Kindheit an hochmusikalisch. Klangsensibilität und religiöses Empfinden vielen bei ihr in Eins. Nicht die besten Voraussetzungen, um in der Sowjetunion einen erfolgreichen Weg zu gehen. Dmitri Schostakowitsch ermutigte die dezidiert zum christlichen Glauben sich bekennende junge Kollegin ihren "eigenen – 'falschen' – Weg" unbeirrt weiter zu gehen. Trotz großer Repressalien staatlicherseits und materieller Entbehrung im Alltag, entfaltete Sofia Gubaidulina über die Jahrzehnte ein eigenständiges, vielschichtiges Oeuvre, in dem auch improvisatorische Elemente und interkulturell gefärbte Tongebungen zu ihrem Recht kommen.

Stille ist der Raum, aus dem alles wächst.
Sofia Gubaidulina

Ohne stilistische Bezüge, waren auch Bach und Webern Leitsterne für dieses Schaffen, das in allen Erscheinungsformen luzide ist und transparent für überkonfessionelle Einsichten in die Evidenz höherer Wirklichkeiten. "Ich bin überzeugt, dass die Kunst Hauptwurzeln hat", hat Sofia Gubaidulina mal gesagt, "ob es heidnisch oder irgendwelche andere Konfessionen betrifft, und zwar auf einer Dimension, die uns verbindet. Mit Vollkommenheit, absoluter Wahrheit, die unerreichbar ist aber immer exisitert."

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Aus Anlass des Todes von Sofia Gubaidulina sendet BR-KLASSIK am 13.03.2025 ab 23:03 Uhr in den "Horizonten" eine Sendung, die zu ihrem 90. Geburtstag entstand. Unser Autor Ulrich Möller-Arnsberg hat Sofia Gubaidulina in Hamburg besucht und daraus ein einstündiges Feature gemacht.

Garten von Freuden und Traurigkeiten

Interpreten von Weltgeltung haben die Musik Sofia Gubaidulinas, die seit 1992 in Deutschland bei Hamburg gelebt hat, berühmt gemacht. Sie hat einen unerschöpflichen Garten von Freuden und Traurigkeiten angelegt aus Klängen und Stille. Wie hatte John Cage doch gesagt: "Auch Stille ist Musik". Für Sofia Gubaidulina eine Art Lebenselixier: "Die Welt klingt zu laut, zu aggressiv. Aber die Stille ist der Raum, aus dem alles wächst. Das bedeutet nicht, dass nichts klingt. Es ist vielmehr die klingende Sehnsucht nach Stille." Am 13.03.2025 ist die große tatarisch-russische Klangmetaphysikerin im Alter von 93 Jahren in ihrer Heimat in der Nähe von Hamburg gestorben.

Sendung: "Leporello" am 13.03.2025 ab 16:05 Uhr

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