Lacher sind hier so wenig angebracht wie Tränen: Der bereits über 70-jährige Richard Strauss schrieb seine letzte Oper mitten im Nationalsozialismus. Ein Schatten liegt auf dem Werk, das mit zweifelhaftem Pathos zu überwältigen versucht. An der Bayerischen Staatsoper bleiben trotz hervorragender künstlerischer Leistungen Fragen offen – und mulmige Gefühle.
Bildquelle: Monika Rittershaus
Die letzte Oper von Richard Strauss wird im Untertitel zwar als "Heitere Mythologie in drei Akten" bezeichnet, ist aber ungefähr so lustig wie Richard Wagners "Walküre". Gelacht wurde in den rund dreieinhalb Stunden der Premiere jedenfalls kein einziges Mal. Handelt es sich bei der angeblichen Heiterkeit also um Ironie oder hat Regisseur Claus Guth das Stück missverstanden? Ein schwieriger Fall ist es so oder so: Der damals schon über 70-jährige Richard Strauss schrieb diese Oper in den Jahren 1938 bis 1940, also mitten im Nationalsozialismus. Obwohl er den Nazis als Präsident der Reichsmusikkammer nur kurzzeitig geheuer war, gehörte er bis Kriegsende zu den besonders geschätzten Künstlern.
BR-KLASSIK hat die Premiere der Oper "Die Liebe der Danae" von Richard Strauss live aus der Bayerischen Staatsoper übertragen. Hier können Sie den kompletten Mitschnitt anhören.
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Dafür spricht auch, dass "Die Liebe der Danae" noch im Sommer 1944, also kurz vor dem Zusammenbruch, bei den Salzburger Festspielen uraufgeführt werden sollte. Es blieb wegen der Kriegsereignisse allerdings bei einer öffentlichen Generalprobe. Strauss war ohne Zweifel ein Angepasster, ein Opportunist, wovon gerade dieses melancholische Alterswerk zeugt. Die Musik mutet weniger spätromantisch als neoklassizistisch an: Der Klang pompös, aber wenig anrührend. Ein Tongemälde wie aus Marmor, im Wetterleuchten eines Sonnenuntergangs.
Die Titelheldin hat vergleichsweise wenig zu tun. Es geht in erster Linie um die Männer. Göttervater Jupiter ringt mit König Midas um die Liebe der Danae. Ein Himmlischer gegen einen Sterblichen. Jupiter, der Allgewaltige, zieht emotional den Kürzeren, trotz Macht, Gold und Geld. Danae bevorzugt Midas, obwohl sie dadurch in Armut und Elend landet. Aus heutiger Sicht grotesk, diese Männerfantasie, in der alle Frauen nur Staffage sind. Regisseur Claus Guth zeigt Danaes Vater als Donald-Trump-Lookalike. Passt hervorragend, wie auch der goldene Präsidentenjet und die Aussicht aus einem protzigen Hochhaus, die der kanadische Bühnenbildner Michael Levine entworfen hat.
Machos unter sich, die sich wechselweise mit Geld und Playgirls bei Laune halten: Männer sind eben auch nur Götter. Irgendwann bricht in einem der unteren Stockwerke ein Feuer aus, die ganze Protzgesellschaft droht in der tristen VIP-Etage abgefackelt zu werden und ob der herannahende Hubschrauber helfen kann, ist zweifelhaft. Im Schlussbild wird das zertrümmerte München von 1945 gezeigt. Richard Strauss spaziert derweil ziemlich entspannt durch seinen Garmischer Villengarten. Da kann sich jeder seinen eigenen Reim darauf machen: Ist diese Oper der wehmütige Epilog eines Komponistenlebens? Ist sie ein bitteres Gleichnis auf die Diktatur? Eine misslungene Satire auf die Antike? Oder ist das Pathos zur Belustigung des damals tonangebenden NS-Publikums ernst gemeint?
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Dirigent Sebastian Weigle ging kühlen Herzens, aber ungemein kraftvoll an die Partitur. Der Donner, mit dem sich Jupiter mehrmals Respekt verschafft, war wirklich furchteinflößend. Mit dem Herrscher des Olymps ist hörbar nicht zu spaßen, so wehleidig, wie er sich nach außen auch gibt. Musikalisch ist die hohe Virtuosität von Richard Strauss stets beeindruckend, sein Klangreichtum unerreicht. Er selbst hielt "Die Liebe der Danae" für eines seiner besten Werke. Allerdings wirkt es berechnend in seiner Monumentalität, was der gewohnt souveräne Sebastian Weigle offenbar auch deutlich machen wollte: Nicht nur die Lacher, auch die Tränen blieben aus.
Sopranistin Manuela Uhl rettete in der Titelrolle die Premiere, weil sie innerhalb von einem Tag für die erkrankte Malin Byström einsprang. Ein ungeheures künstlerisches Wagnis, für das sie verdientermaßen gefeiert wurde. Einmal mehr herausragend war Christopher Maltman als viel beschäftigter Jupiter. Ein ganzer Kerl, ein peinlicher Liebhaber, eine groteske Führungskraft. Andreas Schager gab dem Liebes-Konkurrenten König Midas etwas zu viel wagnerianische Wucht. So dominant ist die Rolle des von den Göttern instrumentalisierten Helden eigentlich gar nicht. Auch alle anderen Mitwirkenden und der Chor wurden dem Niveau der Bayerischen Staatsoper weitgehend gerecht. Besser musizieren lässt sich diese Oper von Strauss nicht, vermutlich auch nicht plausibler inszenieren. Vielleicht hätte der Untertitel lauten sollen: "Eine mulmige Mythologie".
Sendung: "Piazza" am 8. Februar 2025 ab 8:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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