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Kritik – Uraufführung von Haas' "Sycorax" in Bern Eine Oper über Rassismus und Klimawandel

Am 17. September wurde in Bern die neue Oper "Sycorax" des Komponisten Georg Friedrich Haas uraufgeführt. Inhaltlich orientiert sich das Stück an Shakespeares "Sturm", Was aber bringt das Libretto von Harriet Scott Chessman Neues? Und wie hat Haas die Oper musikalisch gestaltet? Jörn Florian Fuchs war bei der Premiere in der Schweiz dabei.

Szene aus der Oper "Sycorax" von Georg Friedrich Haas an den Bühnen Bern | Bildquelle: Rob Lewis

Bildquelle: Rob Lewis

Kürzlich konnte man in München im Rahmen des Staatsopern-Festivals "Ja, Mai" zwei tolle Stücke von Georg Friedrich Haas erleben. "Bluthaus" erzählt von alptraumhaften Familienbeziehungen, "Thomas" von einem Sterbenden, dessen Lebenspartner ihm die Treue über den Tod hinaus hält – bis der Tote (vielleicht) wieder aufersteht. Große Themen, in überwiegend großartige Musik gegossen, die phänomenalen Libretti schrieb der mit Grenzthemen des Lebens und der Literatur vertraute Händl Klaus. Haas und Händl Klaus – das war eine Partnerschaft auf Augen- und Ohrenhöhe. Leider hat man sich offenbar nun auseinandergelebt und Haas sucht sich neue Quellen und Autoren für seine Werke.

Libretto orientiert sich an Shakespeares "Sturm"

In Bern gab es nun die Uraufführung "Sycorax", der Text stammt von der US-Amerikanerin Harriet Scott Chessman. Chessman bedient sich bei William Shakespeares spätem Stück "Der Sturm". Wie in der Vorlage haust auch bei Chessman und Haas Prospero auf einer einsamen Insel mit Tochter Miranda sowie der Hexe Sycorax. Sie wurde von Prosepero in einen Baum verbannt. Und auch ihrem Sohn Caliban geht es nicht sehr gut. Und dann ist da noch der ebenfalls unglückliche Luftgeist Ariel.

Regisseurin Giulia Giammona inszeniert eine dystopische Welt

Szene aus der Oper "Sycorax" von Georg Friedrich Haas an den Bühnen Bern | Bildquelle: Rob Lewis Bildquelle: Rob Lewis Apropos Luft – dies ist eines von zwei zentralen Themen bei "Sycorax". Denn der Sauerstoff auf der kaum bewohnbaren Insel ist knapp und man kämpft um jeden Kanister – Stichwort Klimawandel. Regisseurin Giulia Giammona zeigt eine dystopische Welt mit großen und kleinen Schläuchen, vergammelten Flugzeugsitzen, viel Müll (Bühne Anna Schöttl), schönen Lichtwechseln (Rolf Lehmann) und einer intensiven Personenführung. Nur kann leider auch sie das sehr dünne Bretter bohrende Libretto nicht retten.

Fulminant plakative Sprache

Sprachlich geht es da fulminant plakativ zu, zumal auch eine Rassenthematik mit ins Spiel kommt. Caliban, mit enthusiastischem Timbre gesungen von Thando Mjandana, ist schwarz. Der über Macht und Sauerstoff verfügende Prospero besitzt weiße Hautfarbe, was von Haas auch für alle zukünftigen Aufführungen vorgeschrieben wurde. Die Hexe wird von Mollena Lee Williams-Haas verkörpert, eine Performerin und Aktivistin, zugleich Ehefrau des Komponisten. Es ist eine Sprechpartie, die Williams-Haas mit Verve und Engagement interpretiert. Leider muss sie diverse Plattitüden von sich geben.

Das Stück klappert – dramaturgisch, textlich und musikalisch.

Szene aus der Oper "Sycorax" von Georg Friedrich Haas an den Bühnen Bern | Bildquelle: Rob Lewis Szene aus der neuen Oper "Sycorax" von Georg Friedrich Haas | Bildquelle: Rob Lewis Die Figur der Sycorax rutscht im Verlauf des Abends zunehmend ins Peinliche, ergeht sich schlussendlich in einer Heilungsutopie, die aber erst nach dem eindeutigen Urteil "Weiß ist böse, Schwarz ist gut" entsteht. Dass Shakespeare die Dinge deutlich differenzierter beschrieb und nebenbei zum kolonialistischen Autor stilisiert wird – geschenkt.

Doch das Stück klappert nicht nur dramaturgisch und textlich, sondern auch musikalisch. Haas kreiert einige schöne, auf- und abschwellende Klangflächen für den gut disponierten Chor (Einstudierung Zsolt Czetner), bietet jedoch beim Orchesterpart erstaunlich wenig Substanz. Bas Wiegers dirigiert exzellent eine reine Streicherbesetzung, das Orchester stimmt sich immer wieder neu ein und um, häufige Flageoletts kitzeln die Ohren, doch das bei Haas früher so einprägsame Mäandern von Obertönen und grobkörnigeren Strukturen erschöpft sich hier in nervender Wiederholung.

Sängerinnen und Sänger mit viel Herzblut

Juliane Stolzenbach Ramos als Miranda, Robin Adams als Prospero, Mengqi Zhang als geschlechtlich variabler Luftgeist Ariel tun ihr jeweils Bestes, überhaupt merkt man allen Protagonisten schon an, dass da mit viel Herzblut ans Werk gegangen wurde. Doch letztlich bleibt das Ganze gut gemeint und mäßig gemacht.

Sendung: "Leporello" am 19. September 2022 um 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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