Vor einem halben Jahrhundert starb Dmitri Schostakowitsch. Ein Kammermusikabend in der Münchner Residenz widmete sich am Samstagabend deshalb ausschließlich seinen Werken. Mit dabei: Gidon Kremer und Evgeny Kissin.
Bildquelle: SF/Marco Borrelli
Aus dem Klavier klingen wuchtige Akkorde in den Bässen. In denkbar größtem Kontrast dazu spielt die Violine ein Klagelied von bewegender Feinheit. Es sind Stellen wie diese im Klaviertrio e-Moll aus dem Jahr 1944, in denen Schostakowitsch Leid und Schmerz des so schrecklichen 20. Jahrhunderts gleichsam kondensiert hat. Vor allem seine Erfahrungen während des Zweiten Weltkriegs und das Leiden am Sowjetkommunismus mit seinen staatlichen Grausamkeiten.
Es fehlte nicht viel und der Komponist wäre selbst, wie viele seiner Künstlerkollegen, diesem Staat zum Opfer gefallen. Er blieb verschont, konnte sich aber nie wirklich sicher fühlen. Unter solchen Vorzeichen zu komponieren, war für Schostakowitsch stets ein Ritt auf der Rasierklinge und ein Akt der Selbstbehauptung. Das wird in seiner Musik immer wieder hörbar, in den Kammermusikwerken oft direkter, unmittelbarer, als in seinen Symphonien.
Gidon Kremer hat Schostakowitsch noch persönlich kennengelernt. Jetzt spielte er zusammen mit Evgeny Kissin und Giedre Dirvanauskaitė dessen Werke. Im Interview mit BR-KLASSIK spricht er über das große Spannungsfeld von Musik, Geschichte und aktueller Politik. Hier geht's zum Artikel.
Es war ein Gipfeltreffen von fünf Musikern aus Russland, Lettland, Weißrussland und der Ukraine, das da zum Auftakt des Jubiläumsjahres im Münchner Herkulessaal stattfand. Mit Gidon Kremer und Jewgenij Kissin waren zwei internationale Musikstars mit dabei, mit dem großartigen Bassisten Alexander Roslavets, dem Bratschisten Maxim Rysanov und der Cellistin Giedre Dirvanauskaite völlig ebenbürtige Musikerinnen und Musiker.
Auch wenn Kissin, Kremer und Dirvanauskaite wegen eines Problems mit Kremers Geige das Trio zweimal beginnen mussten, so geriet dieses Werk doch zu einem hoch bewegenden musikalischen Zeitbild. Markant und bissig spielte Kissin am Klavier, elegisch, dabei völlig schnörkellos Kremer an der Geige und mit sonorem, aber schlankem Ton Dirvanauskaite am Cello.
Den Beginn machten Kissin und Roslavets mit den vier Liedern nach Texten von Dostojewksi aus Schostakowitschs vorletztem Lebensjahr 1974: Lieder voll groteskem Pathos und bitter-schwarzem Humor. Auskomponierter Sarkasmus, von Roslavets und Kissin grandios interpretiert mit gnadenloser Schärfe und Abgründigkeit.
Nicht Sarkasmus, sondern vielmehr eine Art de-profundis-Reduziertheit kennzeichnet dagegen Schostakowitschs letztes Werk, die Viola-Sonate in C-Dur. Hier blickt der Komponist am Ende seines Lebens zurück zu den Wurzeln abendländischen Komponierens, zu Bach und Beethoven, die in einigen Anspielungen anklingen. Dazu viel vermeintliche Einfachheit, leere Seiten, Quinten und Quarten. So als komme Schostakowitsch nach einem langen Komponistenleben zurück zu den Basics. Aber mit welch intensiven Inhalten er diese Reduziertheit füllt, das lässt einen immer wieder den Atem anhalten beim Zuhören – zumal in einer derart konzentrierten und mit Spannung aufgeladenen Wiedergabe wie der von Kissin und Maxim Rysanov.
Ein vom Münchner Publikum ausgiebig bejubelter Auftakt zum Schostakowitsch-Jahr 2025.
Sendung: "Allegro" am 27. Januar 2025 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (0)