BR-KLASSIK

Inhalt

Mieczysław Weinberg wird verhaftet Schostakowitschs Brief rettet ihm das Leben

Moskau, 6. Februar 1953. Der Komponist Mieczysław Weinberg wird verhaftet – kurz nach der Premiere eines seiner Orchesterwerke. Nicht zuletzt seinem Freund Dmitrij Schostakowitsch hat er es zu verdenken, dass er überlebt – und freikommt.

Bildquelle: © Tommy Persson

Das Kalenderblatt zum Nachhören

In seiner Wohnung in Moskau feiert der 34-jährige Mieczysław Weinberg eine Party. Heute Abend hat der Geiger David Oistrach Weinbergs "Rhapsodie über moldawische Themen" im Moskauer Konservatorium mit großem Erfolg uraufgeführt. Auch Dmitrij Schostakowitsch war beim Konzert dabei. Die beiden Komponisten verbindet eine künstlerische Freundschaft. Schostakowitsch ist beeindruckt vom polnisch- jüdischen Kollegen aus Warschau, der 1939 vor dem Nationalsozialismus in die Sowjetunion floh. Als Freund und Mentor hat er sich bei den höchsten Stellen immer wieder für Weinberg engagiert. 1943 erwirkte der Komponistenkollege für ihn eine Aufenthaltserlaubnis in Moskau. Schostakowitsch und Weinberg spielen oft vierhändig und tauschen Musikideen aus.

Weinberg wird Formalismus vorgeworfen

1943 hat Mieczyslaw Weinberg die Tochter des Schauspielers und Regisseurs Solomon Michoels geheiratet – das wird bald fatale Folgen für ihn haben. Antisemitische Tendenzen verschärfen sich nach dem zweiten Weltkrieg auch in der Sowjetunion. Weinbergs Schwiegervater Michoels fällt zu Beginn des Jahres 1948 einem Mordanschlag der Geheimpolizei zum Opfer, getarnt als Autounfall. Weinbergs Werke, vorher ausdrücklich gelobt, werden jetzt scharf kritisiert. Man wirft ihm Formalismus vor: "verkopfte Konstruktionen", "abstrakte Musiksprache" oder gar "ideologische Armut eines Kosmopoliten". Eine gefährliche Anschuldigung zu Stalins Zeiten. Bald danach wird Weinberg verhaftet.

Drei Monate im Gefängnis

Drei Monate verbringt er in einer Einzelzelle des berüchtigten Lubjanka-Gefängnisses. Die Anklage: Angeblich wollte Weinberg eine jüdische Republik auf der Halbinsel Krim errichten. Das ist völliger Unsinn, passt aber in das Bild der "jüdischen Verschwörung", das im paranoiden Kopf Stalins existiert. Mieczysław Weinberg wird mit Schlafentzug gefoltert und bei Vernehmungen misshandelt.

Schostakowitsch, der Lebensretter?

Als Dimitri Schostakowitsch über Weinbergs Verhaftung erfährt, schreibt er einen Bittbrief an Geheimdienstchef Lavrentij Berija. Schostakowitschs Einsatz habe Weinberg das Leben gerettet, glaubt Olga Rahalskaja, die Witwe des Komponisten: "Schostakowitsch schrieb einen Brief an den NKWD, in dem er sich mit seinem Namen und seinem Kopf für Weinberg verbürgte, und beteuerte, dass er sich an keinen Verschwörungen beteiligt haben könnte. Die Ermittler sagten ihm mal bei einem Verhör: 'Deine Freunde setzen sich sehr für Dich ein.' Ich glaube, Schostakowitschs Einsatz hat einfach die Ermittlung etwas hinausgezögert."

Freilassung nach Stalins Tod

So wird Weinberg zumindest nicht erschossen wie viele andere jüdische Verurteilte in der antisemitischen Kampagne. Am 5. März 1953, vier Wochen nach Weinbergs Verhaftung, stirbt Stalin. Drei Monate später wird Mieczysław Weinberg freigelassen.

Weinbergs "Rhapsodie über moldawische Themen"

YouTube-Vorschau - es werden keine Daten von YouTube geladen.

Weinberg: Rhapsody on Moldovan Themes ∙ Bebeselea ∙ Moldovan National Youth Orchestra | Bildquelle: Moldovan National Youth Orchestra (via YouTube)

Weinberg: Rhapsody on Moldovan Themes ∙ Bebeselea ∙ Moldovan National Youth Orchestra

Was heute geschah

Unsere Reihe "Was heute geschah" zu bemerkenswerten Ereignissen der Musikgeschichte können Sie auch um 7:40 Uhr, um 12:30 Uhr und um 16:40 Uhr auf BR-KLASSIK im Radio hören. Weitere Folgen zum Nachhören finden Sie hier.

Sendung: "Allegro" am 06. Februar 2024 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (0)

Kommentieren ist nicht mehr möglich.
Zu diesem Inhalt gibt es noch keine Kommentare.

Mehr zum Thema

Neu bei BR-KLASSIK

    AV-Player