Hollywood-Glamour mit düsterem Hintergrund: Das Léhar-Festival in Bad Ischl zeigt die Jazz-Operette "Märchen im Grand Hotel" aus den 1930er Jahren, eine vergnügliche Flucht in die Scheinwelt des Showbusiness. Besonders bitter: Die rettende Flucht vor politischer Verfolgung gelang nicht allen Autoren.
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Bad Ischl war Sommerresidenz des österreichischen Komponisten-Hochadels in guten wie in schlechten Zeiten. Der Faschismus beendete jäh die Modernisierung des europäischen Musiktheater-Geschäfts nach US-Vorbild – daran erinnern sowohl die diesjährigen Premieren als auch das Rahmenprogramm.
So steht die Revue-Operette "Märchen im Grand Hotel" aus dem Jahr 1934 auf dem Spielplan. In Berlin war eine Uraufführung bereits unmöglich geworden, weil die Nazis an der Macht waren. Also wichen die Autoren Alfred Grünwald und Fritz Löhner-Beda mit Komponist Paul Abraham nach Wien aus.
Was rückblickend verwundert: Es ist eine ziemlich alberne Hollywood-Satire, ein Affentanz um Starallüren, selbstherrliche Filmproduzenten und Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs. Fritz Löhner-Beda, der später im KZ ermordet wurde, ignorierte den Aufstieg des Nationalsozialismus, wohl auch, weil sein damaliges Publikum davon nichts wissen wollte: "Das ist im besten Sinne des Wortes totaler Nonsense, eine Boulevardkomödie. Da ist eigentlich nichts politisch, aber er war ein hochpolitischer Mensch, ein sehr bissiger Mensch, ein großer Kritiker des Faschismus. Das ist sehr interessant", so Festival-Intendant Thomas Enzinger.
Eine Ausstellung und eine Fachtagung leuchten in Bad Ischl den düsteren zeitgeschichtlichen Hintergrund von "Märchen im Grand Hotel" aus. Gerade der Kontrast zwischen der opulenten Jazz-Operette und ihren historischen Begleitumständen, zwischen dem extrem hohen Glitzerfaktor und dem traurigen Schicksal seiner Urheber, will Thomas Enzinger nicht aus den Augen verlieren: "Mir war es immer wichtig, dass man gerade auch bei der Geschichte der Operette Aufarbeitung betreibt, weil sie in die grauenhafte Zeit hineinfällt und viel damit zu tun hat und damals sehr viel vernichtet wurde. Deshalb ist es mir sehr wichtig, dass man auch diese andere Seite zeigt, gerade bei Fritz Löhner-Beda, diesem Genie, das er auch war."
Opulente Jazz-Operette "Märchen im Grand Hotel" in Bad Ischl. | Bildquelle: www.fotohofer.at Das "Märchen im Grand Hotel" ist eine Flucht aus der Realität in jeder Hinsicht und gerade deshalb so bitter, weil die rettende Flucht vor politischer Verfolgung nicht allen Machern gelang. Was trotz der akrobatischen Stepp-Einlagen und der aberwitzigen, vergnüglichen Hollywood-Parodie melancholisch anmutet: Damals schaute Europa nach Amerika und hätte die Chance gehabt, es mit der dortigen Unterhaltungsindustrie aufnehmen zu können, wenn der Faschismus diesen Elan nicht jäh ausgebremst hätte. Die einen gingen in die USA, die anderen kamen zu Tode, wieder andere wurden gezwungen, betuliches Propaganda-Theater zur Beruhigung der Volksgenossen zu machen.
Was bleibt, ist die nostalgische Freude daran, was mal möglich schien: in dieser Inszenierung von Thomas Enzinger die Wiederbegegnung mit Hollywoods klassischen Helden von King Kong über Micky Maus und Frankensteins Monster bis zu Charlie Chaplin und Marilyn Monroe. Es ist eine helle Freude, Solistinnen wie Nina Weiß und Julia Koci, sowie ihren aufgedrehten Partnern Maximilian Mayer und Oliver Severin zuzusehen. Was für ein Regenbogen sich da über der abendländischen Kulturgeschichte in Bad Ischl spannt, wo Europas Komponisten-Adel oft und gern urlaubte, Hof hielt und über die Zukunft der Bühnen-Unterhaltung nachdachte!
Sendung: "Allegro" am 15. Juli 2024 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (1)
Dienstag, 16.Juli, 17:12 Uhr
Sybille Mallah
Schade!
Schade, daß sich der Sender nicht mehr auf die vielen, wunderschönen lokalen Festivals konzentriert - wer fährt schon nach Bad Ischl?
Und es schaut so aus, als wären die Inszenierungen wieder nur auf billigen Klamauk aus ...