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Kritik - "Die letzte Verschwörung" in Augsburg Orchesterbombast statt Ironie

Komponist Moritz Eggert gilt als Experte für satirische Kommentare zum Zeitgeschehen. In seiner neuen Oper rechnet er mit Verschwörungstheoretikern ab, allerdings so ohrenbetäubend, dass die Ironie dabei immer wieder auf der Strecke bleibt.

Szene aus der Oper "Die letzte Verschwörung" am Staatstheater Augsburg | Bildquelle: Jan Pieter Fuhr

Bildquelle: Jan Pieter Fuhr

Ausreichend Aluminiumfolie lag bereit an der Abendkasse des Augsburger Theaters, und mancher Zuschauer bastelte sich daraus tatsächlich einen dekorativen Hut. Auch für Verschwörungstheorien gibt es bekanntlich das passende Outfit. Wer diesbezüglich noch nicht so richtig fit ist, der konnte sich im Programmheft schlau machen, dort waren die bekanntesten Geheimkulte und modischen Verrücktheiten aufgelistet, zum Beispiel Freimaurer und Illuminaten, Reptiloide und gefälschte Mondlandungen, Menschen, die die Erde für eine Scheibe halten und in einer Pizzeria Pornoringe vermuten. Der Wahnsinn hat Methode, um Shakespeares "Hamlet" zu zitieren, und Komponist Moritz Eggert regte sich darüber dermaßen auf, dass er in seinem Wutanfall eine satirische Oper schrieb, "Die letzte Verschwörung", die im März letzten Jahres an der Wiener Volksoper uraufgeführt wurde.

Ein viel zu großes Orchester

Da driftet ein populärer Fernsehmoderator aus Neugier nach und nach ab in die Schattenwelt der Spinnereien, um am Ende zu erfahren, dass sowieso alles von der Künstlichen Intelligenz vorprogrammiert war. Moritz Eggert ist eigentlich ein sehr begabter Humorist und Spaßmacher, und auch diese zweieinhalbstündige Parodie ginge völlig in Ordnung, wenn er sie musikalisch klein besetzt hätte, etwa mit einer Band oder einem Kammerorchester, Hauptsache mit augenzwinkernder, schräger Elektronik, wie sie zu Verschwörungen auf, unter und über der Erde nun mal perfekt passen würde. Stattdessen komponierte Eggert einen monströsen Soundtrack für "Godzilla gegen King Kong". Das Riesenorchester lärmt und tost sich durch eine Partitur, die zwar zitaten- und anspielungsreich ist, aber die aufkeimende Ironie wird immer wieder vom Bombast überfahren.

Wenig Humor: André Bückers Inszenierung

Da hat sich einer während der Corona-Pandemie offenbar richtig geärgert und arbeitet seinen Furor ab, was bei einer komplexeren, weniger klamaukigen Story allerdings deutlich effektvoller gewesen wäre. Der schablonenhafte Comedy-Text und die monumentale Instrumentation passten einfach nicht zusammen, obwohl sich Intendant und Regisseur André Bücker und sein Video-Designer Robi Voigt in der deutschen Erstaufführung in Augsburg alle Mühen gaben, den großen Gesten im Orchestergraben entsprechend voluminöse Bilder gegenüberzustellen. Bunt ging es zu, grell, flackernd und blitzend, wie es bei Computerspielen üblich ist. Fühlte und hörte sich nach satirischer Schwerstarbeit an, gelacht wurde dennoch wenig. Dabei sind die Verschwörungstheorien an Albernheit nicht zu überbieten und eigentlich nur mit Humor auszuhalten.

Seitenhiebe auf die Augsburger Kulturpolitik

So war es eher eine ohrenbetäubende "Mission Impossible"-Sause nach dem Motto: Drama, Baby, Drama! Immerhin: ein paar aktuelle Seitenhiebe auf die Augsburger Kulturpolitik ("Wäre schön, wenn wir endlich ein richtiges Theater hätten") würzten das deftige Mahl. Langweilig war es nicht, vor allem deshalb, weil Wolfgang Schwaninger den schrulligen Fernseh-Talkmaster wirklich hervorragend spielte, auch Jihyun Cecilia Lee als verblendete "Freiheitskämpferin" war absolut glaubwürdig - wie ein Avatar im Sondereinsatz. Kate Allen amüsierte als quotensüchtige Fernsehproduzentin, Wiard Witholt überzeugte als gerissener Geschäftemacher und Bundeskanzler, der unter der Nationalflagge lukrative Funklizenzen verschachert.

Dirigent Domonkos Héja zähmt die Musik

Mutig und lobenswert, dass das Augsburger Theater diesen musikalischen Brontosaurus, den Dirigent Domonkos Héja sehr professionell zähmte, zum Beginn der Spielzeit auf die Bühne losließ und damit ein Ausrufezeichen setzte. Allerdings: So schnell wie neue Verschwörungstheorien in Umlauf gebracht werden, kann selbst Moritz Eggert nicht komponieren. Donald Trump fürchtete ja kürzlich um amerikanische Haustiere, die angeblich von Migranten verspeist werden. Da wäre wohl eine Oper mit Katzenmusik angesagt. Ein Musical gibt's ja schon.

Sendung: Allegro am 21. Oktober 2024 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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