Mozart mal ganz unpolitisch, das funktionierte am Gärtnerplatztheater hervorragend: Die Premiere in der Inszenierung vom Hausherrn Josef Köpplinger bekam stehende Ovationen. Zwar wurde die Handlung in das Spanien von Diktator Franco verlegt, doch alle Beteiligten waren ausschließlich mit ihren eigenen Angelegenheiten beschäftigt.
Bildquelle: Markus Tordik
Nein, irgendwie "politisch" ist dieser Opernabend nun wirklich nicht, da hat Intendant und Regisseur Josef Köpplinger schon recht. Im Programmheft sagt er, ihn interessieren an "Figaros Hochzeit" nicht Machtfragen, sondern zum Beispiel die Langeweile im Ehealltag. Insofern war das hier eine ziemlich private Veranstaltung, und die kam beim Publikum hervorragend an.
Und es stimmt ja: Es wurde wunderbar gesungen, beschwingt gespielt, das Orchester war gut gelaunt, die Inszenierung schnurrte ausgesprochen unterhaltsam die gut drei Stunden ab und setzte sogar die beiden kastanienbraunen Setter-Hunde Ginger und Grace ein, die natürlich alle Blicke auf sich zogen und ihren Kurzauftritt sehr brav absolvierten: Da waren die stehenden Ovationen berechtigt. So animiert geht ein Premierenpublikum selten nach Hause.
Die Setter-Hunde Ginger und Grace zogen alle Blicke auf sich. | Bildquelle: Markus Tordik Aber fehlte da nicht was? Klar, 1786, bei der Uraufführung war Mozarts Oper gesellschaftlicher Sprengstoff. Damals, kurz vor der Französischen Revolution, brodelte es in Europa, der Adel versuchte krampfhaft, seine Privilegien zu retten, die sich längst überlebt hatten. Eines davon war es, die Dienstboten nach Belieben sexuell zu belästigen – keiner scherte sich darum, das Rokoko war verspielt, aber auch grausam. Ob der Stoff auf die heutige Zeit zu übertragen wäre, sei dahingestellt, die Standesgesellschaft ist längst passé, mit "Metoo" hat diese Geschichte wenig zu tun.
Damals, zu Mozarts Zeiten, regte sich auch vor allem die Kirche über das Stück auf, das angeblich zu anzüglich war. Wie auch immer: Josef Köpplinger verlegte die Handlung ins Spanien der 60er-Jahre, was allerdings nicht unbedingt ins Auge fiel. Das Schloss des Grafen Almaviva zeigt Ausstatter Johannes Leiacker als ziemlich heruntergekommene Immobilie, in der die Schwalbennester an der Wand kleben und wo die Vorhänge längst von der Sonne verschossen sind. Der Putz bröckelt, auch im übertragenen Sinne. Und auch hier steht mit Francos Tod eine Art Revolution vor der Tür – aber alle Mitwirkenden sind viel zu sehr mit ihrem ganz persönlichen Triebhaushalt beschäftigt, um davon Kenntnis zu nehmen.
Bildquelle: Markus Tordik Soviel Eskapismus geht nur gut, weil die Solisten wirklich herrliche Spiellaune haben: Allen voran Ludwig Mittelhammer als liebestoller Graf Almaviva und Sophie Mitterhuber als schwer bedrängtes Kammermädchen Susanna. Aber auch Anna-Katharina Tonauer als burschikoser Page Cherubino und Ana Maria Labin als Gräfin glänzten in ihren Partien. Levente Páll als Figaro war eher als brav-biederer Verlobter glaubwürdig, denn in seiner rasenden Eifersucht. So richtig emotional ist er selten, schon gar nicht von südspanischer Wucht. Muss auch nicht sein: Dienstboten durften sich damals ja selten Gefühle erlauben und brauchten auch kein Riechfläschchen, wie zu sehen war.
Dirigent Rubén Dubrovsky schaffte es von der Ouvertüre an, Mozart wie ein Gläschen Schaumwein zu servieren, perlend, temporeich, heiter, unbeschwert, gänzlich ohne Melancholie. Da gab es keinen Durchhänger, allerhöchstens zu viel Text, aber das lag ja nicht an Mozart, sondern an seinem redseligen Librettisten Lorenzo da Ponte. Insgesamt ein lohnenswerter, sommerlicher Mozart-Genuss, der den Schmerz seiner und unserer Zeit vergessen macht. Was allerdings gegen Langeweile in der Ehe hilft, außer jede Menge Seitensprünge, das wurde nicht recht deutlich. Der Graf entschuldigt sich zwar bei seiner Gattin für sein ungebührliches Verhalten, aber aufrichtig schien das nicht. Sein Leben im Bademantel, es wird wohl weitergehen – mindestens bis zum Herbst.
Sendung: "Allegro" am 30. Juni 2023 um 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (2)
Montag, 03.Juli, 23:10 Uhr
denali
hunde
Die Hunde durften den Schlussapplaus nicht entgegennehmen.
Montag, 03.Juli, 19:02 Uhr
Hermann König
Figaros Hochzeit
Sehr treffend, ihre Rezension, geschätzter Kollege Jungblut.
Habe die Aufführung am Sonntag, 2. Juli, erlebt und war - wie Sie - begeistert. Wie übrigens auch fast alle Besucherinnen und Besucher. Sie spendeten am Schluss Applaus im Stehen. Habe mich über die Bewertungen in der Süddeutschen und im Merkur/tz sehr gewundert.