"Schön ist die Welt" – ein Titel zu schön, um wahr zu sein, also wie geschaffen für eine Operette! Noch dazu wenn sie in den Alpen spielt und im malerischen Bad Ischl aufgeführt wird. Das dortige Lehár-Festival präsentiert das Opus summum seines Namensgebers jetzt halbszenisch, aber mit voller Orchester-Besetzung. Das ist schön. Aber mehr wäre noch schöner, meint unser Kritiker.
Bildquelle: Foto Hofer
"Schön ist die Welt, wenn das Glück dir ein Märchen erzählt…" heißt es im Titellied dieser Operette, in der ein Prinz, als Bergführer verkleidet, eine ihm unbekannte Prinzessin zum Gipfelglück führt. Die Uraufführung im legendären Berliner Metropol-Theater mit den Stars Richard Tauber und Gitta Alpar ist 1930 ein "gesellschaftliches Ereigniss", über das die Presse groß berichtet: "Es beginnt mit einer fünffachen Autoreihe in der Behrenstraße und, wie dereinst bei den Metropol-Premieren der Vorkriegszeit, genießt ein Spalier von Schaulustigen die große Modenschau. Höchst elegante Abendtoiletten, die unter kostbaren Pelzen hervorlugen und nichts von schlechten Zeiten erkennen lassen."
Ein Wagnis ohnegleichen
Damals, in den schlechten Zeiten, mitten in der Weltwirtschaftskrise, ließ man sich solche Glücks-Märchen gern erzählen und auch heute erlebt die jahrzehntelang so gut wie vergessene Operette eine kleine Renaissance: Vor zwei Jahren hat die Bayerische Staatsoper "Schön ist die Welt" ebenfalls halbszenisch präsentiert, vor zwei Monaten das von der Schließung bedrohte Nordharzer Städtebundtheater in Halberstadt.
Jetzt also Ischl. Hier hat Franz Lehár diese Operette komponiert, inspiriert von der alpinen Kulisse – den zweiten Akt sogar innerhalb von zwei Wochen im August 1910, also bereist 20 Jahre vor der Uraufführung. Dieser zweite Akt spielt in den Bergen und sprengt nicht nur deshalb völlig den Rahmen der herkömmlichen Operette: Dieses halbstündige, fast durchkomponierte Liebesduett war, wie der Komponist stolz verkündete, "ein in der Operette einzig dastehendes Faktum, das allgemein als ein Wagnis ohnegleichen bezeichnet wurde."
Gewagt war auch das Ende dieses Akts: Durch ein plötzliches Unwetter gezwungen muss das Liebespaar eine Nacht zusammen in der rauhen Bergwelt verbringen. Für die Gesellschaft im Tal ein Skandal, für Lehár ein Panorama des Begehrens. Selbst der sonst wenig gnädige Großkritiker Oskar Bie ist beeindruckt: "Im zweiten Akt steigt Lehár sogar in entlegenere moderne Harmonien und macht unter Begleitung von charakteristischen Leitmotiven eine Bergpartie der Musik, die aller Ehren wert ist. Ich übertreibe nicht! Tauber und die Alpar schwimmen gerne in dieser Musik, die ihnen einmal etwas bessere Aufgaben stellt. Sie können so tun, als ob sie Oper sängen."
Entsprechend hoch sind die stimmlichen Anforderungen an die beiden Protagonisten. Sieglinde Feldhofer ist aber eine Idealbesetzung, auch wenn sie kein Koloratursopran ist wie Gitta Alpar. Sie singt ihre anspruchsvolle Partei mit mädchenhafter Leichtigkeit und verkörpert die burschikose Prinzessin glaubwürdig. Ihr Kronprinz ist Thomas Blondelle von der Deutschen Oper Berlin. Sein naturburschenhaftes Spiel passt perfekt zum Bergführer, selbst wenn ihn seine tenorale Bergpartie in den Höhen gegen Ende hörbar anstrengt. Trotzdem wird sein über halbstündiges Liebesduett mit Feldhofer zum musikalischen Höhepunkt des Abends. Marius Burkert und sein Lehár-Orchester können hier im symphonischen Soundtrack dieser fast schon filmischen Partitur schwelgen – großes Kino!
Denn die Handlung spielt nicht umsonst "in allerhöchsten Kreisen und auf allerhöchsten Bergen", wie Mozart-Biograph Alfred Einstein meinte: "Sie ist einfach, ergreifend und erschütternd" – in Wahrheit eine Leonce und Lena-Geschichte von zwei Königskindern, die – einander versprochen – voneinander nichts wissen wollen, einer Begegnung aus dem Wege gehen, sich dann aber inkognito verlieben, ohne freilich zu wissen, wer der andere ist.
Im ersten und dritten Akt wird dies eigefädelt und schließlich aufgelöst – in einer Rahmenhandlung voller Operettenklischees, die natürlich im Foyer eines Grandhotels spielt. Da geht es dann im Kontrast zur Bergwelt betont mondän zu. Da wird Tango getanzt, Rumba oder Slowfox. Besonders der sehr spielfreudige Chor macht das ganz wunderbar. Evamaria Mayer hat ihn geschickt choreographiert, ebenso das obligate Buffo-Paar. Als da wären: der etwas trottelige Flügel-Adjutant Karlowitsch, elegant: Jonathan Hartzendorf – und die temperamentvolle, natürlich brasilianische Tänzerin Mercedes del Rossa – hier die nicht ganz so temperamentvolle gebürtige Ischlerin Katarina Linhard. Und es gibt – das ist wirklich ungewöhnlich – auch ein älteres Paar: Gerd Vogel und Klára Vincze sind ganz entzückend, mal rührend komisch, mal ganz schön aufgedreht ...
"Schön ist die Welt" gehört zu jenen Lehár-Raritäten, die das Lehár-Festival alljährlich halbszenisch präsentiert – für Liebhaber schon lange ein Geheimtipp. Halbszenisch heißt in dem Fall: mit Kostümen, wenigen Requisiten, angedeutetem Bühnenbild – aber – und das ist das Besondere in Ischl – auswendig gelerntem Text. Es gibt also kein Ablesen und damit auch keine Notenständer. Und es gibt stimmungsvolle Videoprojektionen der Bergwelt von Andreas Ivancsics. Angela Schweiger hat das disparate Werk geschickt inszeniert, schließlich steht ihr nur eine sehr enge Vorderbühne zur Verfügung. Sie macht aus der Not eine Tugend, vor allem am Anfang, wenn sich in der imaginären Hotellobby die Gäste vor dem Orchester drängen. Das sitzt nämlich auf der Bühne und steht auch sonst im Mittelpunkt, immerhin wird nebenbei ja auch noch eine CD produziert.
Lehárs faszinierendes Opern-Operetten-Hybrid hätte durchaus eine Vollinszenierung verdient. Schließlich enthält es starke szenische Momente, großartige Musik und Verse wie diese: "Ja, die Liebe ist brutal, denn alle Menschen sind ihr ganz egal. Ob man arm ist oder reich, ja, sie macht die Menschen gleich. Für Groß und Klein bringt sie Glück. Die Liebe ist der größte Bolschewik!"
Sendung: "Piazza" am 12. August ab 8:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (1)
Montag, 14.August, 11:31 Uhr
Gufo
Lehar
Die Operette, die kleine beschwingte Schwester der Oper, kommt in BR-Klassik viel zu kurz.Dieses Mauerblümchen-Dasein hat sie wahrlich nicht verdient.