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Kritik – "Die Piraten von Penzance" in München Lachsalven in der Kostümschlacht

Typisch britischer Humor, mit viel Mut zum Blödsinn aufbereitet von einem Tänzer und Choreographen aus London: Adam Cooper gelingt eine mitreißend aufgetakelte Gilbert-und-Sullivan-Sause, die das Publikum mit stehenden Ovationen feiert – auch wenn die titelgebenden Piraten gar keine sind.

Szene aus "Die Piraten von Penzance" (Gärtnerplatztheater München, Premiere 29. November 2024) | Bildquelle: Anna Schnauss

Bildquelle: Anna Schnauss

Nein, Lachen ist diesem Fall keine Pflicht, aber alles andere schon: Die Meere unsicher machen zum Beispiel, Schiffe entern, Schwerter schwingen, der Gefahr ins Auge blicken, und dem Riesen-Oktopus auch. Komponist Arthur Sullivan und Textdichter William Schwenck Gilbert machen sich in ihren "Piraten von Penzance" über den Dünkel der britischen Upper Class lustig. Sie nehmen das geheuchelte Pflichtbewusstsein aufs Korn, die steife Etikette, die Eitelkeiten. In Deutschland wäre das Stoff für eine Satire, in England lieben sie die Blödelei, den "Nonsense", 1879, bei der Uraufführung, ebenso wie heute. Das muss nicht jedem gefallen, weder musikalisch, noch szenisch, doch Regisseur Adam Cooper, von Beruf ursprünglich Tänzer und Choreograph, nimmt das Premierenpublikum schnell für sich ein und mit in die sturmumtosten Rahen. Am Ende gab es stehende Ovationen, abermals eine Erfolgsproduktion am Münchner Gärtnerplatztheater, das unter der Intendanz von Josef Köpplinger gern auf Nummer sicher geht.

Purzelbaumschlagender Piratenkönig

Szene aus "Die Piraten von Penzance" (Gärtnerplatztheater München, Premiere 29. November 2024) | Bildquelle: Anna Schnauss Daniel Gutmann als Piratenkönig Richard | Bildquelle: Anna Schnauss Erstaunlich, wie viel Bewegung, ja Akrobatik Adam Cooper dem Chor und den Solisten abverlangt. In der Besetzungsliste finden sich "drei Piraten mit besonders viel Bewegungsdrang", also Balletttänzer, aber alle anderen sind ebenso ausgelassen bei der Sache, und der fulminante Bariton Daniel Gutmann schlägt als Piratenkönig sogar Purzelbäume und schwingt am Seil durch die Lüfte. Der Mann ist offenbar schwindelfrei, auch auf hoher See! Es macht Spaß, diesem tollen Strandtreiben zuzusehen, dabei spielt die absurde Geschichte mit all ihren abgedrehten Gags kaum eine Rolle. Der so hübsche wie romantische Frederic (Tenor Matteo Ivan Rašić) muss bis zu seinem 21. Geburtstag vertragsgemäß bei den Piraten dienen, weil er jedoch am 29. Februar geboren wurde, gibt es diesbezüglich Missverständnisse. Und weil die Briten sich zwar selbst gern belachen, aber stets treue Untertanen ihr Majestät bleiben, sind die Piraten natürlich gar keine, sondern, wie sich zum Schluss herausstellt, nur gelangweilte Lords.

Schwelgen in Nostalgie und Slapstick

Die Bühnenbildner Karl Fehringer und Judith Leikauf schwelgen im Slapstick, fahren kanonendonnernde Miniaturschiffe auf, verpassen dem Mond eine Augenbinde und dem Paradepferd des trotteligen Generalmajors einen Denkmalsockel. Kostümbildnerin Birte Wallbaum darf in üppigster Nostalgie schwelgen: Die Stoffbahnen für die ausladenden Rüschenkleider dürften zwei Mal um die Insel reichen, vielleicht sogar von Land’s End an der Spitze von Cornwall bis ins Londoner Theaterviertel West End. Das hätte sehr betulich und altmodisch wirken können, wären da nicht die irrwitzigen Frisuren und die affektierten Gesten gewesen: Achtung, Ironie! Kein Wunder, dass sogar Queen Victoria persönlich kurzzeitig die Besinnung verlor, trotz Schoßhund. Ungemein vergnüglich, diesem englischen Humor-Radau ausgesetzt zu sein, dank Solisten wie Sigrid Hauser als Piratenbraut und Julia Sturzlbaum als verwöhnte Generalstochter. Sie wissen, wie Blödsinn geht und genießen es.

Ein sicherer Kassenerfolg

Szene aus "Die Piraten von Penzance" (Gärtnerplatztheater München, Premiere 29. November 2024) | Bildquelle: Anna Schnauss Bildquelle: Anna Schnauss Einmal mehr wurde deutlich, wie wichtig bei solchen Produktionen die Tonverstärkung ist: Dank der Mikrofone war jedes Wort der neu übersetzten Dialoge zu verstehen. Dirigent Anthony Bramall hätte vor allem die Ouvertüre etwas rasanter nehmen können, doch er wollte wohl lieber die hier ironisch gemeinte Romantik unterstreichen. Ob diese britische Spielart der Operette zeitgemäßer ist als die heute kaum noch aufgeführten deutschen Spielopern des Biedermeiers, etwa die Werke von Albert Lortzing oder Friedrich von Flotow? Vermutlich ja, denn die Engländer waren schlicht weltläufiger, selbstironischer, experimentierfreudiger als ihre deutschen Zeitgenossen. In der Themse-Metropole London amüsierte man sich im 19. Jahrhundert deutlich temporeicher als in Berlin, was Regisseuren wie Adam Cooper ihr Handwerk erleichtert, wenn sie die "Piraten von Penzance" entstauben müssen. Insgesamt ein sicherer Kassenerfolg und eine unbedingte Empfehlung für alle Fans der sieben Weltmeere und der Piraten, nicht nur aus der Karibik!

Sendung: "Piazza" am 30. November 2024 um 8:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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