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Dirigentinnen-Wettbewerb "La Maestra" Eine Münchnerin in Paris

Frauen am Pult sind zwar derzeit in Mode. Zu wirklicher Gleichberechtigung ist es aber noch ein weiter Weg. Ein Schritt dahin: der "La Maestra"-Dirigierwettbewerb, der gerade zum dritten Mal in Paris stattfand. Mit dabei ist auch Katharina Morin aus München.

Katharina Morin im finale von La Maestra 2024. | Bildquelle: Pauline Ballet

Bildquelle: Pauline Ballet

Das übliche Surren der Orchesterinstrumente beim Stimmen erfüllt den Raum, während sich das "Paris Mozart Orchestra" auf den Kammerton A einstimmt. Auf die holzgetäfelte Wand des Konzertsaals der modernen Philharmonie im Pariser Nordosten wird das Wort "La Maestra" projiziert. Am A lehnt ein dünner Dirigierstab. Den echten übernimmt die 29-jährige Katharina Morin aus München. "Bonsoir. Es ist sehr schön, hier zu sein. Wir fangen mit einem Durchlauf an. Ohne die Wiederholungen", sagt sie und das Orchester beginnt mit dem 1. Satz aus Mozarts Prager Symphonie in D-Dur. Katharinas Wahlstück. Sie hat ihr welliges Haar hochgeknotet, trägt zur schwarzen Hose eine tiefblaue Bluse und dirigiert mit vollem Körpereinsatz.     

Außer Atem in die Detailarbeit: Katharina Morin

"Wow", entfährt es ihr nach dem Schlussakkord. Außer Atem nimmt sich Katharina Morin aber gleich danach Takt für Takt vor. Etwas ruhiger hier, mehr Crescendo da und mehr Raum fürs Fagott. "Fagott", da rutscht ihr, die sonst auf Englisch mit den Musikerinnen und Musikern spricht, der deutsche Begriff heraus. Das Orchester schmunzelt.

Aufgeregt und freudig gespannt war Morin darauf, "diese Musik, die in mir ist, jetzt endlich rauszulassen. Ich liebe die Prager Symphonie, die hat meiner Meinung nach mit am meisten Esprit und Elan von Mozarts Symphonien". Dafür fordert sie die Musikerinnen und Musiker auf, kein Vibrato zu spielen: "Gehen Sie tief in die Saiten, dann haben wir einen wundervollen Sound." Katharina Morin liebt es sprudelig und feurig. In München studiert sie Orchesterdirigieren und assistiert nebenher bei den Bergischen Symphonikern. Die vielen Klangvariationsmöglichkeiten schätzt sie an der Arbeit mit den Orchestern sehr. Doch es sei auch eine Herausforderung, vorne zu stehen und "mit all seiner Kraft und Power als Frau für sich einzutreten" und überzeugt zu sein, dass das, was sie sagt, in dem Moment richtig ist.

"Es gibt tolle Frauen, gebt ihnen eine Stimme, eine Chance!"

Im Finale sind drei Stücke gesetzt, darunter auch ein Auftragswerk der jungen Französin Manon Lepauvre. Immer an den nächsten Takt denken, mahnt Katharina im Wettbewerb. Sie bekommt schon jetzt viele Anfragen für die Zukunft. Für den vielstündigen Maestra-Marathon habe sie sich beworben, weil der Wettbewerb die ganze Persönlichkeit betrachte und ein Ungleichgewicht ausbalanciere: "Schaut mal – es gibt tolle Frauen, gebt ihnen eine Stimme, eine Chance", sagt sie.

La-Maestra-Begründerin Claire Gibault: Pionierin am Pult

Die Dirigentin Katharina Morin | Bildquelle: La Maestra Katharina Morin. | Bildquelle: La Maestra Als der erste Maestra-Wettbewerb 2020 stattfand, waren in Europas Konzerthäusern nur vier Prozent der Dirigenten Frauen. Jetzt sind es schon 12 Prozent. "Ein großer Fortschritt, aber wir müssen wachsam bleiben", sagt Claire Gibault, die mit fast 80 Jahren noch unfassbar jung wirkt. Sie selbst wurde am Pult einst herablassend, teils aggressiv behandelt, trotz 1. Preises im Orchesterdirigieren Ende der 1960er-Jahre. Sie hat als erste Frau das Orchester der Mailänder Scala dirigiert, später auch die Berliner Philharmoniker. Jahrelang hat sie sich als Europaabgeordnete für Gleichberechtigung engagiert. 2011 hat sie das "Paris Mozart Orchestra" gegründet, das der Jugend musikalisch Lust auf Europa machen will und Leitungsposten paritätisch besetzt. Zehn Jahre später startete dann "La Maestra". "Diesen Wettbewerb habe ich mit Männern erarbeitet, die an das Talent der Frauen glauben, es sichtbar machen und die Ungerechtigkeiten reparieren wollten", erklärt sie. Denn: "Dirigierwettbewerbe gibt es zwar viele, aber Frauen werden wenig ausgewählt und noch wenigere gewinnen. Und nie steht den Jurys eine Frau vor."

Dirigierwettbewerbe gibt es zwar viele, aber Frauen werden wenig ausgewählt und noch wenigere gewinnen. Und nie steht den Jurys eine Frau vor.
Claire Gibault, La-Maestra-Begründerin

Inzwischen sind Frauen am Pult in Mode

Bei "La Maestra" ist das anders – hier ist Nathalie Stutzmann Chefin, Frankreichs Stardirigentin, die vergangenes Jahr den "Thannhäuser" in Bayreuth dirigierte. Die Zeiten ändern sich, Frauen kämen auf Posten mit Verantwortung, Macht und Ruhm, die bislang keine Mafia, aber doch ein Netzwerk an Männern für sich reserviert hätte, urteilt Pionierin Claire Gibault. Inzwischen seien Frauen modern und in Mode: "Nur aufgepasst: Einige künstlerische Direktoren suchen Frauen nach ihrer Leistung aus, andere aber nach ihrer Abendrobe und dem Dekolleté!" Frauen am Pult hätten meist einen Kampf geführt, der ihren Charakter geformt habe, ihre Widerstandskraft, weiß Claire Gibault. "Sie wissen genau, warum sie diese Arbeit machen wollen. Das ist ihnen nicht in die Hände gefallen, und sie denken vielleicht tiefer über ihre Beziehung zum Orchester nach. Deshalb wage ich zu hoffen, dass Frauen auf diesen hohen Posten den Beruf voranbringen, was Autorität und Humanität betrifft."

Die Orchester seien jetzt schon weiblicher. Im "Paris Mozart Orchestra" stehe eine Frau an der Pauke, spiele das 1. Horn, den 1. Kontrabass. Und am Pult? "Niemand wundert sich, männliche Orchesterchefs zu sehen, die mittelmäßig sind. Davon gibt es viele. Eine Frau aber kann ihre Karriere nicht voranbringen, wenn sie mittelmäßig ist!"

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Nach jedem Wettbewerb frage man sich, ob er nützlich sei oder man ihn öffne. "La Maestra" gilt als Karrieresprungbrett, denn alle Halbfinalistinnen werden über die zwei Jahre bis zur nächsten Ausgabe hinweg betreut. Auch die Komitees der französischen und der europäischen Orchester sitzen im Saal, vergeben Preise, Tourneen, Gastdirigate. Claire Gibault wird mit drei der Teilnehmerinnen beim Berlioz-Festival auftreten, auf dem sie selbst symbolträchtig Dvořáks Symphonie "Aus der Neuen Welt" dirigieren wird.

Das Geschlecht spielt keine Rolle. Eigentlich.

Wenn Katharina Morin dirigiert, lächelt sie, schaut auch mal streng durch die Brille. Bei ihr ist nicht alles "great". Ein "much better!" ist schon ein großes Lob. Ums Gewinnen ging es ihr nicht in Paris. Bei sich bleiben, vertrauen – das zählt für sie am Pult. Frauen würden nicht weicher, aber anmutiger dirigieren, findet die junge Münchnerin, aber eigentlich spiele das Geschlecht keine Rolle. "Manche Frauen denken, dass sie besonders männlich auftreten müssen. Das ist gar nicht das Richtige, glaube ich. Man ist nur dann gut und authentisch, wenn man selber ist und musikalisch was zu sagen hat." Den 3. Platz hat Morin letztendlich im Wettbewerb belegt. Den ersten Platz belegte Bar Avni aus Israel. Katharina Morin wird aber zusätzlich mit dem La Maestra Nachwuchspreis ausgezeichnet.

Sendung: "Allegro" am 18. März 2024 um 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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