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Kampf mit Lampenfieber Fünf Strategien helfen gegen Auftrittsangst

Der Druck ist enorm: Wer als Profimusiker:in auf der Bühne steht, muss mentale und körperliche Höchstleistung bringen. Doch viele leiden unter starkem Lampenfieber und Blockaden. Dadurch können sie ihr volles Potenzial während des Konzerts nicht abrufen. Der Diplompsychologe und Psychotherapeut Andreas Burzik kennt das Problem, denn er hat selbst Geige studiert. Heute unterstützt er Musiker:innen mit Strategien zur Stressbewältigung. Hier fünf hilfreiche Tipps gegen Auftrittsangst.

Eine Künstlerin schaut durch einen Vorhang auf die Bühne | Bildquelle: picture alliance / Zoonar | Channel Partners

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1. Die Konzertsituation simulieren

Wenn Andreas Burzik im Coaching mit Musikerinnen und Musikern arbeitet, ist Lampenfieber ein zentrales Thema. Gerade bei Wettbewerben oder Probespielen ist der Leistungsdruck und damit die Auftrittsangst besonders hoch. "Dass wir nervös werden, wenn wir vor eine Gruppe anderer Menschen treten, ist ganz normal", so der Psychotherapeut. Vor allem, wenn wir die Situation nicht gewöhnt sind. Hier setzt seine erste Strategie an: die Auftrittssituation vorher mehrmals durchspielen, im besten Fall schon einige Wochen vor dem eigentlichen Konzert. "Am Anfang reicht auch eine Reihe von Stühlen, die das Publikum simuliert." Später können einige Berufskolleginnen und -kollegen zuhören. "Da liegt die Messlatte sehr hoch. Das ist immer ein Aufreger per se." Andreas Burzik empfiehlt außerdem, das Auftreten von der Tür bis zum Standort auf der Bühne zu üben. "Während wir auf die Bühne gehen, schauen uns vielleicht schon 200 Menschen an. Das kann befangen machen." Es lohnt sich außerdem, den Beginn des ersten Stücks mehrmals hintereinander zu spielen. So setzt ein Gewöhnungseffekt ein.

Dass wir nervös werden, wenn wir vor eine Gruppe anderer Menschen treten, ist ganz normal.
Musikercoach Andreas Burzik

2. Kurz vor dem Auftritt bewegen

Eine Frau macht Yogaübungen. | Bildquelle: picture alliance / Zoonar | Viktor Gladkov Yoga hilft, den Adrenalinpegel vor dem Auftritt zu senken. | Bildquelle: picture alliance / Zoonar | Viktor Gladkov Zittrige Knie, schwitzende Hände oder Herzklopfen: Starkes Lampenfieber äußert sich bei jedem ganz individuell. Der Grund für diese körperlichen Symptome ist eine massive Ausschüttung des Stresshormons Adrenalin. "Es aktiviert im Körper eine Kampf-oder-Flucht-Reaktion", erklärt Andreas Burzik. "Die Feinmotorik und das kreative Denken werden blockiert. Man möchte im Grunde weglaufen oder um sein Leben kämpfen." Grobmotorische Bewegung ist das beste und einfachste Mittel, um den Adrenalinspiegel wieder zu senken. Zum Beispiel durch Treppen steigen. "Im Konzertgebäude drei, vier Stockwerke zügig rauf und runter gehen. Dann wird ordentlich Adrenalin abgebaut." Auch Streckübungen und Yoga können helfen, solange es angenehm zieht und nicht wehtut. Aber Achtung: "Es geht nicht darum, sich zu erschöpfen. Man will ja nicht abgekämpft auf die Bühne gehen."

3. Sich Einzelne im Publikum vorstellen

Jedes Publikum hat eine eigene Ausstrahlung. "Da hat man alles, von sehr wohlwollenden Zuhörern bis zu desinteressierten", so Andreas Burzik. "Wir müssen lernen damit umzugehen." Gerade große Auditorien strahlen sehr viel Energie aus, der man als Musiker:in etwas entgegensetzen muss, um nicht "überflutet" zu werden. So soll der Pianist Artur Rubinstein sich beim Gang auf die Bühne jemanden aus der ersten Reihe ausgeguckt haben, den er sympathisch fand, um für diesen konkreten Menschen zu spielen. "Auf diese Weise wird ein Überflutungsphänomen reduziert auf eine Person", fasst der Psychotherapeut Rubinsteins Strategie zusammen. Nach dem gleichen Prinzip kann es helfen, sich bei jedem Konzert eine befreundete Person ins Publikum zu setzen. "Und sogar die bloße Vorstellung, das ein freundlicher Mensch dort sitzt, kann verinnerlicht werden im Gefühl."

Großen Auditorien muss man als Musiker etwas entgegensetzen, um nicht 'überflutet' zu werden.
Musikercoach Andreas Burzik

4. Ein musikalisches Ziel definieren

Ein Mann spielt im Scheinwerferlicht Geige. | Bildquelle: picture alliance / Zoonar | Oleksandr Latkun Liegt der Fokus auf dem musikalischen Ausdruck, passieren oft automatisch weniger Fehler. | Bildquelle: picture alliance / Zoonar | Oleksandr Latkun "Gerade in der klassischen Musik gibt es eine große Angst vor Fehlern", sagt Andreas Burzik. Doch dieser Fokus auf Fehlervermeidung ist während des Auftritts fatal. "Viel besser ist es, sich auf die musikalische Ebene zu konzentrieren. Auf die Atmosphäre, die ich im Raum kreieren möchte." Dabei können Adjektive ein guter Anfang sein: Ist das Stück spritzig, ist es aufgeregt oder schwermütig? Auch konkrete Bilder helfen: Was passiert im Stück? Was für ein Soundtrack könnte das sein? Was passiert hier? "Der eigentliche Sinn des Konzertierens ist es, Menschen eine emotionale Erfahrung zu vermitteln." Wenn Musikerinnen und Musiker dieses übergeordnete Ziel vor Augen haben, passieren oft automatisch weniger technische Fehler.

5. Das Konzert in Ruhe auswerten

Leistungssportlerinnen und -sportler werten jeden Wettkampf aus, manchmal sogar über mehrere Wochen hinweg. "Davon können wir uns viel abschauen", meint Burzik. Es sei wichtig, das Konzertieren als einen inneren Lernweg zu sehen. Nicht jeder Auftritt kann perfekt gelingen. "Musiker verlangen oft 150 Prozent Leistung von sich, egal unter welchen Umständen. Doch es gibt Situationen, da kann man mit 90 Prozent sehr zufrieden sein." War ein Konzert besonders gelungen, kann man sich bewusst an diese positiven Gefühle erinnern und bei folgenden Auftritten abrufen. "Man spielt an einem anderen Ort andere Stücke, aber hat dasselbe Gefühl." Diese mentalen Techniken lassen sich üben.

Es gibt Situationen, da kann man mit 90 Prozent sehr zufrieden sein.
Musikercoach Andreas Burzik

Noch mehr Strategien gegen Lampenfieber erfahren Sie in der Sendung "Klassik Plus - Clever üben, erfolgreich auftreten" am 22. September 2022 ab 19:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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