Keine eigene Webseite. Wenig Social Media. Dafür aber ein starker Glaube an Gott und Gebete vor den Konzerten: Der Dirigent Manfred Honeck wirkt ein bisschen wie aus einer anderen Zeit. Jetzt leitet er Chor und Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. Im Interview erklärt er, wie seine Haltung seine Musik und seine Beziehung zu den Menschen im Orchester prägt.
Bildquelle: George Lange
BR-KLASSIK: Sie sind in der digitalen Welt nicht sehr präsent, wirken da sehr zurückhaltend. Das ist unüblich in der heutigen Zeit. Wie sind Ihre Erfahrungen damit?
Manfred Honeck: Ich bin immer der Meinung gewesen, dass die Qualität für sich sprechen muss. Und dass meine Arbeit in erster Linie darin liegen muss, ein gutes Ergebnis zu erzielen. Das beschäftigt mich jeden Tag. Ich schlage jeden Tag die Partitur auf und und versuche mich da noch weiter zu festigen. Für mich persönlich sind diese Dinge, die rundherum um mich geschehen, nicht ganz so wichtig.
BR-KLASSIK: Haben Sie Druck von außen bekommen? Von Agenturen, vom Management?
Manfred Honeck: Natürlich hat es auch Druck gegeben. Natürlich haben Menschen immer gesagt, du musst doch eine Website machen. Heute muss man sich einfach öffentlich präsentieren. Aber ich muss Ihnen sagen, mir geht es sehr, sehr gut. Ich habe so viel Aufträge und so viel Anfragen von Orchestern. Es gibt allerdings auch einen Facebook- und einen Twitter-Account, den meine Söhne bearbeiten.
Es muss nicht jeder wissen, wo ich gerade bin. Aber es ist mir ein Anliegen, dass auch jeder weiß, wie ich Musik interpretiere.
BR-KLASSIK: Die haben es nicht ausgehalten, dass der berühmte Papa da nicht auftaucht?
Manfred Honeck: Ja. Aber es soll ja auch unter Kontrolle sein, dass nicht jede Minute vom Privatleben auf Facebook oder Twitter gepostet wird. Wir haben so viel zu tun und und so enorm viel Arbeit in der Beschäftigung mit der Musik und mit der Partitur, wenn ich das selbst machen würde, das würde mich nur ablenken. Ich weiß, dass viele, vor allem jüngere Kollegen sich sehr, sehr mit dem beschäftigen. Ich warne nur davor: In erster Linie soll man sich mit der Musik beschäftigen und danach mit den medialen Ereignissen und Botschaften. Es muss nicht jeder wissen, wo ich gerade bin. Aber es ist mir ein Anliegen, dass auch jeder weiß, wie ich dirigiere und wie ich die Musik interpretiere. Deswegen haben wir ja auch die Konzerte.
Am Donnerstag, 30. und Freitag, 31. März, sowie Samstag, 1. April, dirigiert Manfred Honeck das Symphonieorchester des BR und den BR-Chor mit Julian Andersons "Exiles. Remembrances" für Stimmen und Orchester und Dmitri Schostakowitschs "Symphonie Nr. 5 d-Moll" in der Münchner Isarphilharmonie im Gasteig HP8.
BR-KLASSIK überträgt das Konzert am Freitag, 31. März, im Live-Stream und im Radio.
BR-KLASSIK: Was sind die Werte, die Sie beim Dirigieren leiten?
Der Dirigent Manfred Honeck. | Bildquelle: picture-alliance/dpa Manfred Honeck: Also natürlich hat der Dirigent immer einen bestimmten Mythos. Er ist manchmal ein Diktator gewesen. Er ist immer einer der vorne steht, der beobachtet wird. Und er muss natürlich führen. Das ist eine ganz wichtige Eigenschaft, die jeder Dirigent haben muss. Also ein Dirigent ohne Führungsqualität, das geht ja gar nicht. Man muss ja die Interpretation auch durchsetzen und das, was man sich überlegt hat und wie man das Stück fühlt, dann auch abverlangen vom Orchester. Aber ich habe mich es mir angewöhnt, mich in der Beschäftigung mit den Orchestermusikern auf das Miteinander zu konzentrieren. Auf das Verstehen der Musik. Meine Werte liegen darin, den Menschen mitzunehmen und zu lieben. Der Dirigent ist auch abhängig vom Orchester.
BR-KLASSIK: Mir ist aufgefallen, dass Sie in der Probe eher leise sprechen. Da gibt es ja auch zwei Typen. Die, die sehr laut sind und vor allem immer lauter werden, wenn sie etwas erreichen wollen. Und die, die leiser werden, wenn sie etwas erreichen wollen. Ich nehme an, Sie gehören zum zweiten Typ?
Manfred Honeck: Ja, also ich habe leider kein lautes Organ. Manchmal muss ich mich aufraffen, meine Stimme zu erheben oder lauter zu reden. In der Regel ist aber doch so, dass, wenn man leise spricht, die Orchestermitglieder auch gezwungen sind zuzuhören. Man muss nicht laut sprechen, um Eindruck zu machen, das ist sowieso nicht meine Art. Ich glaube, das ist ganz wichtig, dass man auch als Dirigent auf dem Podium so spricht, wie man es sonst auch im Leben tut. Ich sage das auch jungen Dirigenten immer: Verfälscht euch nicht.
Ich bin persönlich davon überzeugt, dass Gott eine ganz wichtige Rolle spielt. Sonst würde ich auch nicht beten.
BR-KLASSIK: So zurückhaltend Sie sich sonst in der Öffentlichkeit und in den sozialen Medien geben, mit Ihrem Glauben gehen Sie sehr offen um.
Manfred Honeck: Ich habe meine Glaubensbemühungen nie an die große Glocke gehängt. Doch immer wieder sind Menschen auf mich zugekommen und haben gefragt, ob ich an etwas glaube. Ich habe diese die Fragen nie verstanden. Es hat Musiker gegeben, die mich gefragt haben, ob ich vor dem Konzert bete. Das mache ich. Dann haben sie mich gefragt, ob sie mitbeten dürfen. Natürlich dürfen sie. Das ist im Fußball übrigens auch gang und gäbe. Ich respektiere es natürlich vollkommen, wenn jemand nicht an Gott glaubt oder einen anderen Glauben hat. Aber ich bin einfach persönlich davon überzeugt, dass Gott eine ganz wichtige Rolle spielt. Sonst würde ich auch nicht beten.
BR-KLASSIK: Wirkt sich Ihr Glauben auf die Musik aus?
Manfred Honeck: Ja, er verändert auch ein bisschen meine Sicht auf das Musikmachen. Zum Beispiel, dass ich mich als Dirigent eher zurücknehme und den Komponisten oder die Komposition selber mehr in den Vordergrund stelle. Der Dirigent ist ja nicht der Wichtigste. Er wird nur ganz wichtiggemacht. Aber in Wirklichkeit ist doch die Schöpfung das Wichtige, eine Bruckner-Sinfonie oder eine von Schostakowitsch.
Sendung: "Allegro" am 30. März 2023 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (3)
Montag, 03.April, 11:51 Uhr
Horst Rupp
Manfred Honrck
Herr Honeck spricht mir aus dem Herzen. Ein ungewöhnlich sympathischer, künstlerisch begabter und gläubiger Dirigent - es sollten mehr von dieser Art auf der Welt geben.
Freitag, 31.März, 21:24 Uhr
Eva Commisel
Interview Manfred Honeck auf BR Klassik
Beeindruckend!
Die Botschaft die damit ausgesendet wird, bewegt Menschen besonders in dieser Zeit, in der wir glauben alles ohne Gott und seinen Segen schaffen zu können.
Danke für Ihren vermittelten Glauben und Ihre Musik!
Freitag, 31.März, 08:41 Uhr
Manfred Heizmann
Sehr gut. Jesus ist die Wahrheit und das Leben. Und die (klassische) Musik ist Leben auf der ganzen Linie. Ohne diese Beiden wäre das Leben ohne Sinn. Danke, Herr Honeck.