Sie dirigiert von Erfolg zu Erfolg: Marie Jacquot. Diese Woche ist die junge Dirigentin in der Münchner Isarphilharmonie zu erleben. Neben Pianist Rudolf Buchbinder mit dem 3. Klavierkonzert von Ludwig van Beethoven steht auch die 1. Symphonie von Jean Sibelius und das Orchesterstück "Between Trees" der Komponistin Kristine Tjøgersen auf dem Programm.
Bildquelle: Christian Jungwirth
BR-KLASSIK: Marie Jacquot, Sie dirigieren ein Stück mit dem Titel: "Between Trees" von Kristine Tjøgersen. Also "zwischen den Bäumen". Es ist erwiesen, dass sich Bäume verständigen können, "World Wood Web" wird das dann genannt. Geht es in dem Stück um die Kommunikation zwischen den Bäumen, also um Natur pur – oder funkt auch irgendwo der Mensch dazwischen?
Marie Jacquot: Es geht um Verbindungen, es geht um Impulse, um Rhythmen – wie die Bäume und auch die Pilze zusammen kommunizieren. Aber es geht auch vor allem um Tanz, um Swing und Jazz. Das heißt, es ist sehr stark mit uns Menschen verbunden, aber natürlich auch mit der Natur.
Spaziergänge in der Natur sind für mich wichtig.
BR-KLASSIK: Jetzt ist das Verhältnis zwischen Mensch und Natur, auch im Rahmen der Klimaerwärmung, ziemlich angespannt. Gibt es da auch Assoziationen in dem Stück, die darauf hindeuten?
Marie Jacquot: Ich glaube, allein die Tatsache, dass wir in dem Stück so viele Naturklänge und Naturverbindungen haben, ist ein Statement in sich. Ich kann natürlich nicht für die Komponistin sprechen. Aber ich glaube schon, dass es eine Herzangelegenheit für sie ist, die Natur in den Vordergrund zu stellen, weil wir eben in einer Zeit mit der großen Frage leben: Wie geht es weiter?
BR-KLASSIK: Welche Rolle spielen denn Bäume oder auch Spaziergänge zwischen Bäumen in Ihrem Leben?
Marie Jacquot: Spaziergänge in der Natur sind in meinem Leben sehr, sehr wichtig, weil sie mich ablenken von diesem sehr schnellen Leben, dass ich gerade führe. Man ist sehr oft sehr viel unterwegs im Flughafen, in Bahnhöfen, zwischen verschiedenen Städten, mit neuen Orchestern. Und die Zeit, die ich für mich habe, etwas näher auf mich selbst zurückzukommen, schätze ich sehr.
BR-KLASSIK: Wie eng standen Sie denn während der Probenarbeit im Kontakt zur Komponistin? Die Gelegenheit, einer Komponistin zu ihrem Werk Fragen zu stellen, bekommt man ja nicht alle Tage.
Marie Jacquot | Bildquelle: Werner Kmetitsch Marie Jacquot: Es ist eigentlich ein Geschenk, denn als Dirigent oder Dirigentin fragt man sich sehr oft: Was hat denn der Komponist, die Komponistin sich dabei gedacht? Und meistens kann man das nicht mehr fragen. In diesem Fall habe ich Kristine Tjøgersen schon vorher angerufen. Wir hatten ein Zoom-Meeting, in dem sie mir ihr Stück schon im Vorfeld erklärte. Dann war sie auch bei jeder Probe mit den Münchner Philharmonikern dabei; das war sehr hilfreich, denn wir konnten wirklich jede Frage klären.
Die Verbindung des Dirigierens zum Leistungssport ist auch mental.
BR-KLASSIK: In fast allen Interviews, die ich von Ihnen oder über Sie gelesen habe, gibt es immer irgendwie eine Verbindung zum Tennis. Die Leute sagen immer, Sie hätten auch Tennisprofi werden können. Warum ist dieser Sport für Sie so spannend?
Marie Jacquot: Ich glaube, diese Verbindung des Dirigierens zum Leistungssport ist vielleicht nicht nur physisch, sondern auch mental. Es geht um Vorbereitung, um Disziplin, um Kommunikation mit dem Team und so weiter. Vielleicht ist es das, was die Leute so fasziniert. Aber es ist schon ein paar Jahre her, dass ich mich so intensiv mit Tennis auseinandergesetzt habe.
Donnerstag, 15. Februar 2024, 19:30 Uhr
Freitag, 16. Februar 2024, 19:30 Uhr
München, Isarphilharmonie
Kristine Tjøgersen: "Between Trees"
Ludwig van Beethoven: Klavierkonzert Nr. 3 c-Moll, op. 37
Jean Sibelius: Symphonie Nr. 1 e-Moll, op. 39
Rudolf Buchbinder (Klavier)
Marie Jacquot (Leitung)
BR-KLASSIK: Vielleicht ist das ja auch so, dass der Beruf einer Dirigentin schon noch irgendwie etwas Mystisches hat. Und wenn man dann so eine Verknüpfung zum Leistungssport besitzt, dann kann sich jeder etwas darunter vorstellen. Vielleicht hilft das ja auch.
Marie Jacquot in der Filmfassung des "Karnevals der Tiere" | Bildquelle: BR Marie Jacquot: Wahrscheinlich wird unser Beruf dann etwas konkreter, da haben Sie recht. Sonst hat er etwas Ungreifbares, denn es geht tatsächlich um Geschmack, nicht wahr? Gefällt es mir oder nicht? Man kann so etwas nicht erklären. Und es hat mit Kommunikation zu tun: Wie ist diese Verbindung gerade mit diesen Musikern? Diese Verbindung ändert sich mit jedem Orchester, denn in jedem sitzen andere Individuen. Und Leistungssport ist sehr pragmatisch: Wir spielen, um zu gewinnen. Vielleicht liegt da die Balance? Ich weiß es nicht.
BR-KLASSIK: Vielleicht spielt es ja auch eine Rolle, dass man beim Tennis immer so ein bisschen in die Zukunft schaut. Wohin fliegt der Ball? Und so ist es vielleicht in der Musik ja ähnlich: Man schaut, wo kommt der Ton hin? Man muss ja immer vorausdenken.
Marie Jacquot: Wie ich sagte, es gibt sehr viele Verbindungen vom Dirigieren zum Sport – wenn auch nicht unbedingt zum Tennis. Beim Dirigieren ist man in der Vergangenheit, denn man muss sich erinnern, was gerade geschehen ist. Man ist auch in der Gegenwart, denn wir bewegen unseren Körper. Und wir müssen trotzdem in die Zukunft denken, um eine Interpretation zu planen: Die Bewegungen zeigen immer einen Takt im Voraus. Beim Tennis ist es auch ein bisschen so. Wir haben einen Bewegungsablauf in der Gegenwart, müssen aber auch im Voraus denken, wo wir den Ball gerade hinwerfen wollen. Eine Verbindung gibt es also schon.
BR-KLASSIK: Also bei diesen drei Ebenen ist es, glaube ich, ganz wichtig, dass Sie immer darauf achten, auch viele Spaziergänge in der Natur zu machen. Das ist ja ein ganz schöner Stress. Und wenn man dann auch noch weiß, dass Sie ab Sommer die Königliche Oper Kopenhagen als Chefdirigentin übernehmen und ab 2026 obendrein das WDR Sinfonieorchester... Was sind denn die Chancen für eine Dirigentin, konstant mit Orchestern arbeiten zu können? Ist das ein bisschen wie Familie, nur harmonischer?
Marie Jacquot: Darin sehe ich den Sinn in meinem Beruf: Dass wir etwas entwickeln und mit einem Orchester, in einem Opernhaus oder einem Symphoniekonzert wirklich in die Tiefe gehen können. Und das ist genau, wonach ich jetzt zurzeit strebe, etwas gemeinsam auf die Beine zu stellen – einen Stempel, einen Klang, eine Kommunikation, eine Art Familie.
Sendung: "Leporello" am 15. Februar 2024 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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