Die Corona-Pandemie hat die Metropolitan Opera New York in eine schwere Krise gestürzt. Doch zum Jahresende blickt Met-Chef Peter Gelb optimistisch nach vorne. Sein Haus setzt auf Neuanfang: divers, inklusiv, zeitgenössisch. Doch der neue Kurs ist ein Drahtseilakt: neues Publikum gewinnen, ohne das alte Publikum zu verprellen. Auch beim künstlerischen Personal, das während des Lockdowns ohne Einkommen dastand, hat das Met-Management viel Vertrauen verloren.
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Opern-Chef Peter Gelb glaubt es fast selber nicht, als die Metropolitan Opera New York im September 2021 nach eineinhalb Jahren Lockdown Premiere feiert – die Wiedereröffnung sei eine "Herkules-Aufgabe" gewesen. Dabei ist es eine Premiere im doppelten Sinn: Mit Terence Blanchards "Fire Shut Up in My Bones" kommt erstmals in der Geschichte der Met die Oper eines schwarzen Komponisten auf die Bühne. Das Haus will sich nach dem Lockdown neu ausrichten: vielfältig, inklusiv, zeitgenössisch. Auch das eine Mammut-Aufgabe für die Met, die Peter Gelb als "ein Dorf von 3000 Leuten" beschreibt, die dort täglich zur Arbeit kämen. Und in diesem Dorf kam mit dem Lockdown und der damit einhergehenden Krise viel Ärger auf.
Um sein Opernhaus über die Krise zu retten, traf Peter Gelb harte Maßnahmen. Er versetzte 1000 Orchester- und Chormusiker*innen in den Zwangsurlaub. Er verhandelte mit 15 Gewerkschaften, um das künstlerische Personal mit schlechteren Verträgen weiter zu beschäftigen. Das sei zwar nun vergessen, behauptet Gelb – es werde so viel geprobt, da habe keiner Zeit für schlechte Gefühle. Doch ein bitterer Beigeschmack bleibe natürlich. Das bestätigt auch die Cellistin Dorothea Figueroa: "Das kann man nie vergessen und wir wollen das auch nicht vergessen, dass wir an der Metropolitan Opera die einzigen Musiker in Amerika waren, die in die völlige Arbeitslosigkeit gestürzt sind und kaum Unterstützung hatten."
Heftige Vorwürfe gegen Peter Gelb: Gewerkschaftsmitglieder demonstrieren im Mai 2021 gegen die Beschäftigungspolitik der Met Opera. | Bildquelle: picture-alliance/dpa Viele trügen ein posttraumatisches Stresssyndrom davon, sagt auch die Hornistin Barbara Joestlein Currie. Sie spielt seit 23 Jahren im Met-Orchester. Vom einen auf den anderen Tag waren sie und ihre fünfköpfige Familie abhängig von Lebensmittelmarken. Mit einer Vorwarnung von nur zwei Wochen wurde ihr und ihren Kolleg*innen das Einkommen gestrichen – mitten in den Proben zum "Fliegenden Holländer", der als HD-Video-Produktion geplant war. Bis zu acht Wochen habe es gedauert, bis das Arbeitslosengeld vom Staat kam.
Wir müssen erst wieder Vertrauen in das Management der Met gewinnen. Das dauert.
Wie viele andere kämpften beide Musikerinnen sich mit Straßenmusik durch. Streamten mit anderen Kolleg*innen Konzerte, wuchsen zusammen. Sie sei stolz auf dieses Orchester, das durch die Krise erst recht zu einer Marke wurde, sagt Currie, die ihre Wurzeln in München hat: "Ich habe nie erlebt, dass sich ein Orchester so entwickelt hat wie in dieser Pandemie. Wir sind jetzt eine völlig neue Truppe – obwohl wir dieselben Musiker sind." Das komme der Musik zugute, sagt auch Dorothea Figueroa, die ursprünglich aus Leipzig kommt. Auch wenn es noch lange dauern werde, bis sich die Musiker finanziell erholen würden. Ein gutes Dutzend ihrer Kollegen ist nicht mehr wiedergekommen und wird jetzt durch Aushilfen ersetzt. Das Orchester arbeitet unter leicht verschlechterten Bedingungen weiter. Dafür hat es eine eigene Konzertreihe bekommen. Nun seien alle einfach nur erleichtert, dass es weitergehe. Das Vertrauen ins Management hat freilich gelitten.
Nach schweren finanziellen Einschnitten während der Corona-Krise blickt Peter Gelb wieder optimistisch in die Zukunft. | Bildquelle: picture-alliance/dpa Met-Chef Gelb weiß um diesen Vertrauensverlust. Doch er habe keine andere Wahl gehabt, als während der Pandemie in den Überlebensmodus zu gehen, entschuldigt er sich. Er ist froh, dass sein Haus den Kultur-Lockdown überlebt hat – trotz 150 Millionen Dollar verlorener Ticket-Einnahmen. Dafür hat die Metropolitan Opera New York 38.000 neue Sponsoren in der Krise dazugewonnen. Die braucht das Haus, das keine Subventionen bekommt. Seit Gelb die Oper vor 16 Jahren übernommen hat, versucht er, sie auf einen moderneren Kurs zu bringen – ohne das konservative Publikum zu verprellen.
Es gibt hier gerade so viele talentierte Komponisten. Das ist ein neues goldenes Zeitalter.
In dieser Hinsicht waren die Pandemie und die Black-Lives-Matter-Bewegung ein Katalysator: Sie hätten geholfen, diesen neuen Kurs der Metropolitan Opera zu beschleunigen. Peter Gelbs erklärtes Ziel: Nicht nur schöne Musik, sondern auch Geschichten auf der Bühne, die ein zeitgenössisches Publikum erreichen. Eine weitere Neuerung: Statt einer gibt es nun zwei bis drei Premieren pro Saison. Gerade lief Matthew Aucoins Oper "Eurydike", davor "Fire Shut Up in My Bones". Im neuen Jahr steht die Premiere von "Hamlet" des australischen Komponisten Brett Dean auf dem Plan. Das Publikum gehe voll mit, sagt Gelb – auch das alte. Gute Aussichten also für die Met nach einem sehr schwierigen Jahr 2021.
Sendung: "Leporello" am 20. Dezember 2021 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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