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Mozart auf Mauritius Ein Opernhaus im Dialog der Kulturen

Das Goethe-Institut fördert Musikprojekte auf der ganzen Welt. Im Sommer 2023 wurde die Opera Mauritius unterstützt. Mozarts "Zauberflöte" ging drei Mal vor ausverkauftem Haus auf dem Inselstaat im Indischen Ozean über die Bühne – in einer viersprachigen Fassung: auf Kreol, Englisch, Französisch und Deutsch. Außerdem gibt es musikpädagogische Begleitprogramme, um Kinder vor Drogenmissbrauch und Kriminalität zu bewahren.

Bildquelle: Groove4beats

Dialog der Kulturen – Aktuelle Projekte des Goethe-Instituts

Mozart auf Mauritius

Oper auf Mauritius: Relikt des Kolonialismus

Hier steht es: Das älteste Opernhaus der südlichen Erdkugel. Ein britischer Gouverneur hatte es in den 1820er Jahren erbauen lassen, in Port Louis, der Hauptstadt von Mauritius, einem Land mit langer Kolonialgeschichte durch die Niederlande, Frankreich, Großbritannien und Portugal. Der britische Gouverneur wollte der einheimischen Bevölkerung damit ein Geschenk machen – eine koloniale Geste scheinbarer Großzügigkeit mit durchaus positiven Folgen.

Opernhaus in Port Louis, Mauritius | Bildquelle: Albert Ginthör Opernhaus auf Mauritius | Bildquelle: Albert Ginthör Ab 1822 war der Opernbau mit seinen Aufführungen das Herz einer lebendigen Musikszene mit Künstlerinnen und Künstlern aus der ganzen Welt, beliebt nicht nur bei den englischen Kolonialherren und ihren Familien, sondern ebenso bei den Einheimischen. Es passte zur Begeisterung der mauritischen Bevölkerung für das Singen und Tanzen. Heute allerdings ist es still im Opernhaus. Seit den 1960er Jahren, als das Land unabhängig wurde, ist der Opernbetrieb eingeschlafen und das Haus verfallen. Vergleichbar einem Dominoeffekt ist damit auch die musikalische Bildung im Land abgesackt.

"Die Zauberflöte" in vier Sprachen

Das Opernhaus wird zwar saniert, wird aber nicht fertig. Es mangelt an Geld, vielleicht auch am Willen. Opernaufführungen gibt es trotzdem – an anderem Ort. Katrin Caine, ehemalige Chorsängerin am Gärtnerplatztheater in München, hat die Szene wiederbelebt, nachdem sie in den 2000er Jahren nach Mauritius ausgewandert war. Mit viel Herzblut machte sie sich zusammen mit anderen Opernfans daran, endlich wieder Opern auf Mauritius zu zeigen. Um kompetente Künstlerinnen und Künstler zu gewinnen, gründete sie einen Opernchor, dazu einen Kinderchor und die "Opera Mauritius Academy", wo professionelle Gesangsausbildung angeboten wird. Inzwischen gibt es ein ganzes Netzwerk an Förderern und Unterstützerinnen – beispielswiese die NGO "Opera Mauritius", die "Mauritian Music Foundation" oder den in Deutschland ansässigen Verein "Freunde der Opera Mauritius".

Man mag sich fragen: Braucht Mauritius das westliche Kulturgut Oper, gefördert vom Goethe-Institut? Ist das nicht ein Überbleibsel kolonialen Gebarens? Keineswegs, finden die Macher:innen von "Opera Mauritius" ebenso wie die Verantwortlichen des Goethe-Instituts, die sich ganz klar vom Kolonialismus und dessen Folgen distanzieren. Es geht darum, die Oper so zu gestalten, dass sie ein Ausdruck der Mauritierinnen und Mauritier ist, dass deren Perspektiven gezeigt und das dortige gesellschaftliche Leben gespiegelt werden. Sollte das Opernhaus je wieder eröffnet werden, dann sollen dort alle Kulturen der Insel ihren künstlerischen Ausdruck finden, etwa auch die traditionelle Sega-Musik des Landes.

Opernaufführungen seit 2009

2009 ging die erste Opernaufführung auf Mauritius über die Bühne, seither sind sechs weitere Opern dazugekommen. Im Sommer 2023 war es Mozarts "Zauberflöte" – zum ersten Mal seit ihrer Uraufführung 1791 wurde sie hier aufgeführt – und dann noch viersprachig! Damit wurde der Multikulturalität auf der Insel, auf der Englisch, Französisch und Kreol sowie in weiten Kreisen auch Indisch oder Chinesisch gesprochen wird, Rechnung getragen. "Das Tolle an Mauritius ist, dass die Menschen einen Satz in Englisch beginnen und auf Französisch beenden und zwischendurch noch drei kreolische Worte drinnen haben. Und jeder weiß, was gemeint ist", so Eva Pons, die musikalische Leiterin der Zauberflöte.

So kam es, dass Sarastro auf Französisch, Papageno auf Kreol, Pamina auf Englisch und die Königin der Nacht auf Deutsch gesungen haben. Ein kluger Kniff, der beim Publikum bestens ankam.

Dokumentarfilm "Opera Mauritius"

Der Filmemacher Jakob Gatzka begleitet mit seiner "Figurative Film GmbH" das Projekt "Opera Mauritius" und plant einen Dokumentarfilm darüber. Dankenswerterweise hat er BR-KLASSIK Material für die Sendung zur Verfügung gestellt.

Von Bollywood zur Zauberflöte

"Zauberflöte" auf Mauritius | Bildquelle: Groove4beats Mozarts "Zauberflöte" auf Mauritius | Bildquelle: Groove4beats Avish Ramdhany, der in der "Zauberflöte" den Sarastro gesungen hat, stammt aus einer hinduistischen Familie. Meditative, spirituelle Musik und Bollywood – das war zunächst seine musikalische Heimat. Dann aber kam der Belcanto, der ihn sofort in den Bann gezogen hat. Er studiert inzwischen in Detmold an der dortigen Musikhochschule. Berufswunsch: Profikarriere als Opernsänger., er fühlt sich im Operngesang angekommen. Die fundierte Auseinandersetzung mit dem Körper als Instrument, mit der Stimme, das Singen in unterschiedlichen Sprachen faszinieren ihn. Den Sarastro in der "Zauberflöte" zu singen, hat ihn sehr glücklich gemacht – es war seine erste professionelle Opernaufführung.

Es gibt eine sehr starke Verbindung zwischen mir und der westlichen, klassischen Musik.
Avish Ramdhany, Sarastro in der Zauberflöte auf Mauritius

Hilfe zur Selbsthilfe aus München und Berlin

Wie der Sarastro waren auch die meisten anderen Solist:innenrollen von Mauritierinnen und Mauritiern besetzt. Im Chor haben ebenfalls mauritische Musikbegeisterte gesungen, die das neben ihrer normalen Berufstätigkeit machen. Die Dirigentin und musikalische Leiterin der Produktion, Eva Pons, kam aus Deutschland, sie ist Leiterin des Opernstudios an der Komischen Oper Berlin.

Ankunft der Instrumentenspende auf Mauritius | Bildquelle: Albert Ginthör Frachtschiff mit Instrumentenspende trifft auf Mauritius ein. | Bildquelle: Albert Ginthör Weil es noch nicht ausreichend ausgebildete Orchestermusiker:innen auf Mauritius gibt, wurden für diese adaptierte Zauberflötenfassung deutsche Musiker:innen eingeflogen: Größtenteils Pensionierte, die ehrenamtlich in ihrer Freizeit spielen. Albert Ginthör, ehemaliger Geiger am Gärtnerplatztheater, ist einer von ihnen. Er sorgt auch dafür, dass die gespendeten Instrumente aus Deutschland ihren Zielort erreichen. Rund 65 Instrumente wurden in Deutschland gesammelt, hergerichtet und dann verschifft über Madagaskar nach Mauritius. Ein logistisches Großprojekt, denn strenge Ausfuhr- und Zollbestimmungen und träge Bürokratie waren Hindernisse, die dank der Unterstützung durch das Goethe-Institut im wörtlichen Sinne umschifft werden konnten.

Die Diversität auf Mauritius und das friedliche Miteinander unterschiedlicher Ethnien und Kulturen ermöglichen uns, einander zu verstehen.
Avish Ramdhany, Sarastro in der Zauberflöte auf Mauritius

Das Goethe-Institut hat auch noch auf andere Weise geholfen – einen Kontrabass gespendet und musikpädagogische Aktivitäten finanziell unterstützt. Denn die Produktion von Opern ist nur ein kleiner Teil dessen, was sich die NGO "Opera Mauritius", die die "Zauberflöte" initiiert hat, zum Ziel gesetzt hat. Die eigentliche Vision ist, jungen Mauritierinnen und Mauritiern eine umfassende Ausbildung in allen Bereichen der Musik und darstellenden Kunst anzubieten. Als Fernziel definiert die NGO, dass die "Opera Mauritius" eines Tages ausschließlich von Mauritiern für Mauritier bestritten werden kann".

Mehr Weltmusik

"Musik der Welt" hören Sie jeden Samstag und Sonntag ab 23:05 Uhr auf BR-KLASSIK. Artikel über Weltmusik-Themen und zu Projekten des Goethe-Instituts finden Sie hier. Dort können Sie auch vergangene Sendungen nachhören.

Musikalische Bildung statt Gewalt und Drogen

Besonders im Fokus stehen die Kinder und Jugendlichen auf Mauritius, von denen einige in Armut leben und bislang keinen Zugang zu Musik und Kunst haben.

Musikunterricht auf Mauritius, Mädchen mit Gitarre | Bildquelle: Jakob Gatzka Musikunterricht wird auf Mauritius gefördert. | Bildquelle: Jakob Gatzka Die "Mauritius Music Foundation" etwa arbeitet daran, nach dem Vorbild der venezoelanischen "El sistema"-Bewegung Musikschulen im ganzen Land aufzubauen. So soll Kindern und Jugendlichen eine sinnvolle Zeitgestaltung angeboten werden, um sie vor Gewalt und Drogen zu schützen. "Vent du rêve" heißt eine dieser Musikschulen, übersetzt "Traumwind". Sie bietet Musikunterricht für unterschiedliche Instrumente, dazu Mittagessen. Antoine Goorsahye leitet die Foundation und ist glücklich darüber, wie positiv sich die Musikerziehung auf die Kinder, aber auch auf die Erwachsenen auswirkt. "Früher liefen die Jungs mit Steinen in den Taschen und jetzt tragen sie Flöten in den Taschen."

Sendung: "Basar" am 6. Januar 2024 um 23:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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