Immer weniger ausgebildete Musiklehrkräfte gibt es in Deutschland – bei steigender Schülerzahl. Aber warum? Eine neue Studie der Bundesfachgruppe Musikpädagogik hat drei wichtige Gründe dafür festgestellt. Fazit: Hochschulen müssen dringend umdenken.
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Mehr Mathe, mehr Deutsch, im Zweifel weniger Musikunterricht. Das war für Ministerpräsident Markus Söder nach dem Pisa-Schock klar. Was wiederum Musikgrößen wie Sir Simon Rattle oder Anne-Sophie Mutter schockierte, die einen Protestbrief an das Bayerische Kultusministerium formulierten.
Musikunterricht an Schulen scheint immer mehr zur Nebensache zu werden. Das hat auch zur Folge, dass sich immer weniger junge Menschen für ein Lehramtsstudium Musik entscheiden. Wie brisant das Thema ist, belegt nun die neue deutschlandweite Studie MULEM-EX (kurz für "Musiklehrkräftemangel – eine explorative Studie") mit Zahlen und Fakten. Getragen von der Bundesfachgruppe Musikpädagogik, finanziert von der Rektorenkonferenz der Deutschen Musikhochschulen.
Eine Lehrerin singt mit einer Schulklasse. Doch es gibt immer weniger ausgebildete Musiklehrkräfte an deutschen Schulen. | Bildquelle: picture alliance / Zoonar | Robert Kneschke Im Vergleich zu 2019 ist die Bewerber*innenzahl für den Musikpädagogik-Beruf im letzten Jahr um 40 Prozent gesunken. Die Studie MULEM-EX benennt dafür drei Hauptgründe. Erstens: Der Musikpädagogik-Beruf wird häufig als starr wahrgenommen. Schülerinnen und Schüler sollen noch immer zu viele Fakten auswendig und Noten lesen lernen, statt miteinander zu musizieren. Zweitens: Das Studium selbst ist noch immer zu klassisch ausgerichtet und hat wenig mit der späteren Schulpraxis im Beruf zu tun. Und drittens: Um an einer Hochschule aufgenommen zu werden, müssen die Bewerber*innen nicht nur Musikheorie, sondern mindestens zwei Instrumente beherrschen.
Zu hohe Hürden und zu wenig praxisnah, findet Thomas Busch von der Berufsfachgruppe Musikpädagogik. "Man sollte nicht von vornherein verlangen, dass die Leute, die an die Hochschulen kommen, gleich eierlegende Wollmilchsäue sind." Außerdem sollten an den Hochschulen selbst die musikalischen Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen berücksichtigt werden, so Thomas Busch. Die starre klassische Ausrichtung gehe stark an den Interessen junger Menschen vorbei und müsse viel breiter und diverser aufgestellt werden.
Die Ausbildung muss breiter und diverser aufgestellt werden.
Natürlich werde es noch eine Weile dauern bis zu konkreten Änderungen in den Studienplänen, sagt Andreas Lehmann-Wermer. Er hat die Studie mit ausgewertet. Aber durch MULEM-EX ließen sich "überhaupt mal evidenzbasiert Vorschläge unterbreiten". Er hofft, dass die Studienergebnisse Einfluss auf den Diskurs innerhalb der Hochschulen haben und mehr Druck ausüben. Hochschulen hätten schließlich "einen gesellschaftlichen Auftrag".
Musik geht ins Ohr, ins Herz und auch ins Hirn – klar. Können Mozart und Bach auch bei Lateinvokabeln oder dem großen Einmaleins helfen? Musikmediziner Eckart Altenmüller klärt auf. Lesen Sie hier den Artikel.
Thomas Busch schlägt vor, Schulen und Hochschulen besser zu vernetzen, etwa durch "Projekte an Schulen, um die Arbeit der Hochschulen bekannter zu machen." So könnten Schwellenängste genommen werden "vor diesem Mikrokosmos der Musikhochschule oder des Studiums Lehramt Musik an den Universitäten."
Spaß an Musik vermitteln und den Wert von Musikunterricht und gemeinsamem Musizieren wieder in den Fokus rücken: eine Aufgabe, die uns alle angeht.
Sendung: "Leporello" am 4. Juni 2024 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (1)
Sonntag, 09.Juni, 19:51 Uhr
Prof. Dr. Hansjörg Biener
https://www.br-klassik.de/aktuell/news-kritik/musi
Das heißt also also: Bevor der bayerische Ministerpräsident Musik für nicht so wichtig erachtete, hat sich laut einer von der Rektorenkonferenz der Deutschen Musikhochschulen finanzierten Studie die universitäre Musikpädagogik ins Abseits manövriert. Warum also der Aufmacher mit Söder? Sollte man die Studie nicht eher als Weckruf an alle Fachdidaktiken interpretieren, ihre Praxisrelevanz und Attraktivität für Lehramtsstudierende zu überprüfen. Wenn es keine Lehrkräfte mehr gibt, die Musik oder welches Fach auch immer unterrichten wollen, ergibt sich die "Streichung" von selbst.