Zwischen ihnen liegt ein Altersunterschied von 45 Jahren, doch musikalisch könnte ein Duo nicht besser harmonieren als dieses. Sie Jahrgang 1941, er Jahrgang 1986. Die große Jazz-Sängerin und Textpoetin Norma Winstone und der junge Pianist Kit Downes, beide aus England, sind ein Traumgespann fürs Leise. Jetzt ist ihr erstes gemeinsames Album erschienen: "Outpost of Dreams". Für unseren Kollegen Roland Spiegel das Jazz-Album des Monats Juli.
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"Outpost of dreams" von Norma Winstone und Kit Downes
Dreamteam für Zwischentöne
Diese Nähe! Und: diese Nahbarkeit. Die Gesangsstimme von Norma Winstone klingt, als sitze die Sängerin nur ein Stück von den Zuhörenden entfernt und spreche direkt zu ihnen. Völlig vertraut wirkt sie.
Sanft und eindringlich – aber nie aufdringlich: So ist diese Stimme seit vielen Jahren. Einen ganz eigenen Klang hat die Engländerin Norma Winstone geschaffen, die mit dem Trio "Azimuth" schon in den 1970er-Jahren Maßstäbe für neue Klangsensibilität im Jazz gesetzt hat. Und noch heute verbindet sie Intimität und Intensität einzigartig schlüssig. Gerade in diesem Duo tut sie das, mit Instrumentalstücken, zu denen Norma Winstone einen Text geschrieben hat. Etwa eine berühmte Komposition des Gitarristen Ralph Towner wurde hier zu einem besonders feinen Song. "Beneath An Evening Sky", großartig begleitet und ergänzt vom Klavierspiel des jungen Engländers Kit Downes.
Sensationell sind dieses und die neun anderen Stücke des Albums "Outpost of Dreams". Darauf ist ausschließlich dieses Duo zu hören: Norma Winstone und Kit Downes. Sie die leise Autorität des Jazzgesangs und der Textgestaltung – er der junge, subtile Virtuose der Tastenimprovisation. Sie sind ein Dreamteam für Zwischentöne. Leiser, schöner und ausdrucksstärker geht es nicht. Und das von beiden Beteiligten.
Bildquelle: picture alliance / Prokop Ivan/CTK/dpa | Prokop Ivan Kann man ein Stück zarter und zugleich überraschender beginnen, als es der Pianist Kit Downes in dem Stück "Jesus Maria" der Jazzkomponistin Carla Bley tut? Geradezu erzählerische Kraft hat das Klavierspiel hier: In jedem Ton scheint eine neue Emotion auf, man glaubt ein Augenblitzen und Erstaunen, ein nachdrückliches Nicken und Bekräftigen herauszuhören. Ein Funkeln, ein Schillern, ein Strahlen. Den Faden nimmt Norma Winstone dann mit bewegender Präsenz auf.
Auch zu dieser Komposition von Carla Bley hat Norma Winstone selbst einen Text geschrieben: eine Sängerin, die mit ihrer Gabe für melodischen Wortklang auch eine sehr beachtliche Textpoetin ist. Wären auf dem Album nur die beiden eben erwähnten Songs – es würde sich schon dafür lohnen. Aber auch alle anderen sind leise Glanzstücke, vom vielschichtigen Folksong "Black Is The Colour" bis hin zu Kompositionen von Kit Downes mit Texten Norma Winstones ("The Steppe"). Und nicht zuletzt auch das Stück "Fly The Wind" von Pianist John Taylor (1942-2015), einstiger Ehemann Norma Winstones und einer ihrer beiden Partner in dem Trio Azimuth. Lauter Töne und Texte zum Entdecken und Immer-Wieder-Hören: Ganz hoch hinaus trägt diese Musik die beiden hochmusikalischen Individuen dieses Duos – und das im wörtlichen wie im künstlerischen Sinn.
Sendung: "Leporello" am 10. Juli ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK