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So war "Oper für alle" 2024 Blutrünstig, aber wunderbar

Eleonora Buratto, Jonas Kaufmann und Ludovic Tézier sind die Stars einer "Tosca"-Vorstellung bei den Münchner Opernfestspielen. Und sie hatten gestern viel mehr Publikum als die gut 2000 Kartenbesitzer im ausverkauften Nationaltheater. Die Bayerische Staatsoper übertrug den Abend als "Oper für alle" kostenlos per Video auf den Max-Joseph-Platz. Und weil das Wetter mitspielte, wurde der Platz voll. Sehr voll.

Event Oper für alle 2024 im Rahmen der Münchner Opernfestspiele im Nationaltheater mit der Live-Opernübertragung von Giacomo Puccinis Tosca auf dem Max-Joseph-Platz. München, 27.07.2024 | Bildquelle: Wilfried Hösl

Bildquelle: Wilfried Hösl

Samstag, 27. Juli, 12 Uhr mittags: schwül-warme 29 Grad, weiß-blauer Himmel. Die Großleinwand steht, die Absperrgitter sind noch zu mehreren Haufen übereinandergeschichtet, zwei Männer schleppen einen zusammengerollten roten Teppich über die große Nationaltheater-Treppe nach oben. Sieben Stunden vor Beginn des "Tosca"-Spektakels hat sich verständlicherweise noch niemand seinen Sitzplatz reserviert.

Wer rechtzeitig einen Tisch auf der Terrasse des Restaurants "Azuki" in der Alten Hauptpost gebucht hat, ist fein raus: Stilvoll speisen mit Blick auf die Leinwand und mit Überdachung, wenn der Regen kommt. Der kommt aber nicht heute. Um 15 Uhr haben sich so ziemlich alle Wolken verzogen. 31 Grad. Die Sonne brennt. Noch immer ist freie Platzwahl.

Oper für alle? Nicht ganz!

Oper für ALLE ist das heute hier? Nicht ganz. Ausgerechnet König Max I. Joseph, der mittendrin auf einem Denkmal thronende Widmungsträger des Platzes, hat die Videoleinwand im Rücken – und winkt huldvoll Richtung Spatenhaus. Aber er sitzt vermutlich bequemer als alle Opernfreunde zu seinen Füßen. Die Steinwüste auf dem Platz (aus Isarkieseln) ist eine Beleidigung für den Po und für die Bandscheibe. Sitzkissen dürfen die Dicke von acht Zentimetern nicht überschreiten, Stühle sind nicht erlaubt, auch keine Luftmatratzen. Oper im Liegen nimmt einfach zu viel Platz weg – und heute braucht man hier jeden Quadratmeter.

Kunterbuntes Publikum

17 Uhr. Noch wird es nicht wirklich kühler. 29 Grad. Der Platz füllt sich. Junge Pärchen, ältere Paare, ganze Familiengemeinschaften, Damen mit ihren besten Freundinnen. Die kunterbunte und entspannte Zuschauerschar kontrastiert erfrischend mit einer auf der Leinwand zugespielten zähen Kritikerrunde, deren bedeutungsschwanger blickende Mitglieder sich überlange Musikbeispiele aus Puccinis "Tosca" anhören müssen, um dann darüber zu diskutieren. Moderator Steven Gätjen holt uns wieder in die Gegenwart dieses unbeschwerten Sommerabends – und das zu Tode gerittene Klischee von "München als der nördlichsten Stadt Italiens" feiert mit Brezen, Obazdem und Antipasti fröhliche Urständ‘ in den Picknickkörben.

Umwerfender Sound, fantastische Bilder

19 Uhr. Endlich spricht die Musik – und wie! Der großartige Sound erstickt sämtliche Nebengeräusche auf dem Platz im Keim. Und die fantastische Bildqualität zieht uns binnen Sekunden in diesen Opernkrimi. Man sieht, wie handwerklich perfekt die drastische Inszenierung von Kornél Mundruczó gearbeitet ist. Und drei Weltstars werfen sich singend und spielend die Bälle zu: Eleonora Buratto, Ludovic Tézier und auch Jonas Kaufmann sind von umwerfender Präsenz. Musikalisches Überwältigungstheater! Oder, wie es ein junger Mann im Publikum formuliert: "Emotional. Kurzweilig. Unterhaltsam. Ein großer Genuss. Hat wirklich Spaß gemacht. Wir kommen wieder!"

Blutrünstig, aber wunderbar

Nach drei Stunden große Begeisterung im Haus – und grenzenloser, dankbarer Jubel auf dem Platz. Die Stars zeigen sich auch den Zehntausend – und Eleonora Buratto nimmt sichtlich überwältigt wahr, wie die Münchner und Münchnerinnen sie ins Herz geschlossen haben. Am Ende zieht eine Besucherin ein Fazit, das man nur in der Kunstform Oper ziehen kann: "Sehr blutrünstig, aber wunderbar."

Sendung: "Allegro" am 29. Juli ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (10)

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Freitag, 02.August, 14:07 Uhr

Riki Waldstädter

Tosca Sänger

Frau Buratto ist DIE Entdeckung der Tosca. Von Mozart kommend, über Rossini, Verdi, nun Puccini. Die Butterfly sang sie bereits an der Met in New York. Ich hoffe, dass hier eine große Karriere beginnt, die Nerven für die riskanten Töne sind jedenfalls da (leider wird das vom Publikum heute verlangt). Der wahre Schatz ihrer Stimme liegt für mich in der tiefen Emotion und dem Schmelz eines wunderbaren Timbres. Bühnenpräsenz und Ausdruckskraft müssen nicht erwähnt werden. Jonas Kaufmann hat sich technisch grandios durch die drei Vorstellungen gesungen. Die erste Vorstellung war stimmlich wunderbar, TV Streaming möchte ich nicht beurteilen, aber in der dritten Vorstellung war er doch sehr angeschlagen. Meinen größten Respekt dafür, die Vorstellung so professionell zu singen!
Tézier ist in jeder Richtung ein idealer Scarpia. Tolle Stimme, tolle Verkörperung der Figur und Glaubwürdigkeit als autoritäres Scheusal.
Der Auftritt seiner Opfer besonders anrührend.

Freitag, 02.August, 13:59 Uhr

Riki Waldstädter

Regiekonzept

Ich habe diese Tosca incl. TV-Übertragung drei Mal gesehen. Beim ersten Mal fand ich die Regie auch unmöglich, besonders wenn man mit den Filmen von Pasolini nicht wirklich vertraut ist. Beim dritten Mal hat mir das Konzept sehr gefallen. Warum? Die nackten waren einfach die vorhergegangenen Opfer von Scarpia. Objekte, so wie er Tosca nicht sehen konnte. Textzitat: Tosca mi fai dimenticare dio! Zitat Ende. Für sie empfand er so etwas wie Liebe, wie auch im Schmelz der Phrase "ah quei occhi" im Tedeum zu hören ist.
Ausserdem ist der Stoff mehr als aktuell. Wie viele Diktatoren führen sich momentan auf, als würde Ihnen die Welt gehören? Sicher mehr als zwei, nur von den meisten wird bei uns in den Medien nicht berichtet.
Das ist für mich der Kern der Oper: Willkür gegen Widerstand. Die Deutschen haben es auch versucht, aber leider hat Hr. Hitler mit Glück 30 (!) Attentate überlebt.
Scarpia nicht. "D´avanti a lui tremava tutta Roma".

Montag, 29.Juli, 13:19 Uhr

Christine Rettinger

Tosca im Natioaltheater

Ich hatte das Glück, live dabei zu sein. Sänger grandios, ebenso Dirigent und Orchester. Aber die Inszenierung war einfach grauenhaft. Allein die Jahreszahlen passen gar nicht. Gesang: "Napoleon ist besiegt". Und einige Szenen später werden Elektroschocker eingesetzt. Was sollen die ganzen Nackten am Anfang? Keinerlei Bezug zu Puccini. Der würde sich wahrscheinlich im Grab umdrehen.
Aber langsam werden all die wunderschönen Opern verhunzt, auch vor kurzem die Aida. Schlimmer kann es bald nicht mehr werden.

Sonntag, 28.Juli, 21:12 Uhr

Kerstin Kölle

Tosca-Inszenierung

Man soll sich auf die Handlung der Oper konzentrieren, dann noch auf die Handlung die obendrauf gesetzt wurde, auf eine große Menge an Statisten, die keine Rolle in der Oper haben, aber auf der Bühne herumlaufen und böse oder weniger böse Dinge tun, 4 oder 5 Filme gleichzeitig anschauen und Übertitel lesen.
Hab ich was vergessen? Ach ja Musik war auch noch dabei....

Sonntag, 28.Juli, 19:51 Uhr

sybille brunner

eine katastrophe

puccini würde sich im Grab umdrehen! diese inszenierung hat mit puccinis oper so gut wie nichts zu tun. man hat den eindruck, dass die heutigen regisseure nur ihrem ego, aber in keiner weise der komposition dienen.
es wird zeit solche inszenierungen von den spielplänen zu verbannen - zumal sie so nichtssagend sind, dass man in den bühnenbildern, den kostümen und der nicht vorhandenen personenregie, jeder beliebige oper spielen könnte.

Sonntag, 28.Juli, 18:00 Uhr

Heide Roscher

Miserable Inszenierung

Diese unterirdischen Inszenierungen überfordern Zuschauer und Sänger/innen, welche gegen dieses Niveau ansingen müssen. Wann werden endlich Konsequenzen gezogen? Alles Andere - traumhaft.

Sonntag, 28.Juli, 17:15 Uhr

Schnirpel

Die vorherige Tosca- Inszenierung war wesentlich "puccinigerechter", ich verstehe nicht, warum man sie durch dieses blutige Spektakel ersetzt hat. Es gibt doch schon genug Terror und Gewalt auf der Welt, muss man auch bei einem Opernabend damit konfrontiert werden.

Sonntag, 28.Juli, 16:08 Uhr

Ingeborg Raffelsberger

Tosca

Tosca ist eine Oper, die zu einem genau definierten Zeitpunkt spielt, nämlich nach der Schlacht von Marengo vom 17. auf 18. Juni 1800. Deswegen ist diese Zeitversetzung nach 1975 mit den "Brigate Rosse" und ein Pier Paolo Pasolini statt eines Cavaradossi völlig daneben gegriffen. Der 1. Akt war geschmacklos, hatte nichts mit dem Libretto zu tun. Später wurde es besser, vor allem, wenn man am Bildschirm nur die Gesichter der Hauptprotagonisten zu sehen bekommt, und das ganze andere sinnlose Zeug nicht anschauen muß. Musikalisch war es hervorragend.

Sonntag, 28.Juli, 14:18 Uhr

Manuela Stölzl

Tosca

Leider, oder sollte ich eher sagen Gott sei Dank, mussten wir aus technischen Gründen nach dem ersten Akt unseren Fernseher abschalten. Wir lieben Tosca und haben die Oper schon oft gesehen, aber bei dieser Inszenierung würde sich Puccini im Grab umdrehen. Grauenvoll. Statt San Andrea della Valle und ein Bild von Maria Madalena nackte Männer und Frauen die sich mit den Händen rot anmalen müssen und mit Waffen bedroht werden und ein Fimteam. Tosca will schwarze statt blaue Augen und zu sehen sind rote Abdrücke auf der Leinwand. Was soll das mit einer Opernaufführung zu tun haben? Wie wär's wenn man als Regisseur sich mal den Text der Oper genauer anschaut bevor man so den Schauspielern wie den Zuschauern so etwas zumutet.

Sonntag, 28.Juli, 12:39 Uhr

Maria Sibylle Jungbauer

TOSCA

Nach dem ersten Schrecken am Beginn,eine großartige Inszenierung und wunderbare Schauspiel - Sänger. Ein Erlebnis

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