Mozarts Oper "Don Giovanni" bekommt von Regisseurin Vera Nemirova eine Frischzellenkur verpasst. Unter Leitung von Generalmusikdirektor Roland Böer feiert die Neuinszenierung am kommenden Samstag Premiere am Staatstheater Nürnberg. BR-KLASSIK überträgt live.
Bildquelle: Bettina Stöß
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Mozarts Oper "Don Giovanni" erzählt die Geschichte eines sozial Gestörten, mit dem die Gesellschaft fertig werden muss. Nicht selten stellt sich bei diesem Werk die Frage, ob der finale Untergang dieses Lebemannes stärker wiegt als die Genugtuung über die gerechte Strafe. Heute werden Werte wie Liebe, Treue, Sexualität und Ehe völlig anders bewertet als noch zu Zeiten der Uraufführung 1787. Regisseurin Vera Nemirova hält die Verurteilung des gescheiterten Helden für zu einseitig, und so schreibt sie im Programmheft zu ihrer Nürnberger Neuinszenierung als "geheime Freundin" einen Liebesbrief an Don Giovanni.
Mit starken Bildern auf der Bühne: Regisseurin Vera Nemirova | Bildquelle: Bettina Stoeß Vera Nemirova liebt die Figur des Don Giovanni: "Sie ist mir sehr nahe in ihrem Lustprinzip. Und solche Figuren werden ja langsam immer weniger, die so das Leben auf diese spezielle Art und Weise genießen und feiern", erzählt sie. Dass sie damit aneckt - Stichwort Moralvorstellungen - ist ihr klar. Die Regisseurin meint aber, dass man beide Seiten verstehen müsse, auch die der anderen. Deswegen denkt sie in ihrem Programmheft-Brief die Geschichte der anderen Figuren weiter. Dazu erklärt sie: "Die Figuren fangen an, über sich und ihre Beziehungen zueinander vielmehr nachzudenken, und er triggert das sozusagen. Er ist so eine Art treibende Kraft".
Die anderen Figuren brauchen also Don Giovanni, um etwas über sich selbst zu erfahren. Daher war es Regisseurin Vera Nemirova wichtig, dass die Handlung in einem illusionistischen Raum spielt, der den Personen und ihren eigenen Konflikten viel Freiheit gibt. "Es ist ein hochgradig abstrakter Raum, der uns in dieses Nachtstück entführt, mit schwarzen Wänden und Türen, hinter denen die Protagonisten verschwinden und auftauchen", erklärt sie.
Er ist wie eine Art treibende Kraft.
Don Giovanni steht für Vera Nemirova für das Außergewöhnliche, das über das Alltägliche hinausgeht. Der Tod ist von Anfang an Don Giovannis Begleiter. Bariton Samuel Hasselhorn hat die Partie schon in Genf konzertant und halbszenisch gesungen. In Nürnberg gibt er jetzt als Teil eines jungen, spielfreudigen Ensembles sein szenisches Rollendebüt. Der Sänger selbst sagt über Don Giovanni, die Figur wecke etwas in anderen Menschen, das sie vielleicht noch gar nicht von sich wissen konnten, etwas, das bisher nur in ihnen geschlummert habe. Das könne auch positive Auswirkungen haben. Aber Samuel Hasselhorn beschreibt, dass dieses Aufwecken auch einen Haken hat: "Don Giovanni tut es auf eine relativ brachiale Art und Weise, die schwierig ist, als rein positiv zu verkaufen. Ich glaube, er ist ein bisschen mysteriös und ein Mix aus Gut und Böse".
Generalmusikdirektor am Staatstheater Nürnberg seit Herbst 2023: Dirigent Roland Böer | Bildquelle: Barbara Aumüller Mit Mozarts komplexer "Don Giovanni"-Partitur ist Nürnbergs Generalmusikdirektor Roland Böer schon lange vertraut. Erstmals hat er diese Oper vor fast 20 Jahren im norwegischen Bergen dirigiert. Und auch wenn er diese Oper seither oft musikalisch geleitet hat, ist sie für ihn nach wie vor voller Wunder und Entdeckungen. Eine davon ist für ihn eine irre, geradezu fast leitmotivische Technik. Zum Beispiel gibt es "so ein chromatisches Abwärtsmotiv, was zum ersten Mal eigentlich deutlich auftritt in der Szene, in der der Komtur von Don Giovanni erstochen wird". Dieses Motiv lässt sich in dem gesamten Stück immer wieder finden. Mal ganz offensichtlich, aber auch in der Tiefe vergraben, in den Bässen und in den tiefen Streichern. "Solche Zusammenhänge zeigen mir überdeutlich, wie klug und wie konzeptionell Mozart gearbeitet hat", sagt Dirigent Roland Böer. Er freut sich schon auf die Premiere am Samstag.
Ein Mix aus Gut und Böse.
Am Samstag, den 20. Januar, überträgt BR-KLASSIK ab 19 Uhr die Premiere von Mozarts "Don Giovanni" live aus dem Nürnberger Staatstheater.
Wolfgang Amadeus Mozart: "Don Giovanni"
In italienischer Sprache
Don Giovanni - Samuel Hasselhorn
Donna Anna - Julia Grüter
Don Ottavio - Sergei Nikolaev
Donna Elvira - Corinna Scheurle
Leporello - Wonyong Kang
Masetto - Demian Matushevskyi
Zerlina - Andromahi Raptis
Chor des Staatstheaters Nürnberg
Staatsphilharmonie Nürnberg
Leitung: Roland Böer
Informationen zu Tickets und weiteren Vorstellungen finden Sie hier.
Sendung: "Allegro" am 19. Januar 2024 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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