Es ist eine der renommiertesten Auszeichnungen im internationalen Opernbetrieb: Zum zweiten Mal seit 2018 triumphiert die Bayerische Staatsoper in München. Obendrein wurde das hier neu inszenierte Werk "Krieg und Frieden" von Sergej Prokofjew ausgezeichnet. Eine Frage der Risikofreude, meint Intendant Serge Dorny.
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Die Konkurrenz war ziemlich beeindruckend: Die Bayerische Staatsoper ging bei der diesjährigen Preisverleihung in Warschau ins Rennen um die prestigeträchtigen Opera Awards mit so renommierten Häusern wie der Oper in Genf, in San Francisco, in Rom, der Volksoper in Wien und der Opera Comique in Paris. Gewonnen hat schließlich München, übrigens zum zweiten Mal seit 2018. Warum? Intendant Serge Dorny glaubt an die Experimentierfreude, auch an Risiken, die gerade ein so großes Musiktheater unbedingt eingehen müsse: "Es sagt etwas über die besondere Qualität der Bayerischen Staatsoper. Ich glaube auch, oder ich hoffe, dass die Vielfalt, die Programmatik des Hauses gewürdigt wurden."
Qualität und Exzellenz sind niemals ein Zufall.
Serge Dorny, Intendant der Bayerischen Staatsoper | Bildquelle: picture alliance/dpa | Peter Kneffel Derzeit wird gerade das Bühnenbild von György Ligetis ziemlich provokanter Opern-Satire "Le Grand Macabre" ausprobiert. Da geht es um nichts weniger als den Weltuntergang und einen eitlen Diktator, der sich zwischen Astrologie und Sadismus notdürftig bei Laune hält. Eine bittere Abrechnung mit Geheimpolizei, Unterdrückung und Intoleranz. Ausgerechnet zum Auftakt der Opernfestspiele im kommenden Jahr wird das Werk an der Bayerischen Staatsoper Premiere haben. Mutig, in diesem glanzvollen Rahmen, wobei Serge Dorny gegenüber dem BR meint: "Wenn man nur auf Sicherheit geht, ist es die Bestätigung von etwas und am Ende wird das dann plötzlich zum System. Ich glaube, Theater, Oper, Musikmachen, Tanz sollten niemals selbst zum System werden, sondern Systeme befragen, dann bleiben wir in der Stadtgesellschaft relevant."
Lesen Sie hier ein Interview mit Serge Dorny über das Programm der Saison 2023/24 und die Zukunftspläne der Bayerischen Staatsoper.
Serge Dorny gilt in der Branche als Fan des Regietheaters, als Intendant mit dem Anspruch, stets politisch Stellung zu nehmen. Damit profilierte er sich an seinem früheren Arbeitsplatz in Lyon, das prägt seine Arbeit in München. Naturgemäß hadern Teile des Publikums gelegentlich mit den gezeigten Herausforderungen: "Kann man ohne Utopien leben, überleben? Ich glaube nicht. Das ist die Herausforderung, dann wird es spannend, dann geht man über Grenzen, dann übertreffen wir uns. Man sollte versuchen, den Himmel zu erreichen, aber gleichzeitig die Füße auf dem Boden halten."
Ausgezeichnet wurde auch die Münchner Produktion "Krieg und Frieden", eine höchst umstrittene Oper von Sergej Prokofjew nach dem gleichnamigen Roman von Leo Tolstoi. Umstritten deshalb, weil Prokofjew Propaganda vorgeworfen wurde, manchem ist die Musik viel zu staatstragend, ja stellenweise erscheint sie dem einen oder anderen sogar stalinistisch. Und das, wo Putin wenige Monate vor der Premiere die Ukraine überfallen hatte.
Kann man ohne Utopien leben, überleben? Ich glaube nicht.
Szene aus "Krieg und Frieden" an der Bayerischen Staatsoper | Bildquelle: © Wilfried Hösl/Bayerische Staatsoper Kontroversen waren die Folge, wenn es auch nicht die erwarteten Proteste gab. Das Publikum war teils irritiert, überwiegend jedoch angetan. Und im Haus selbst habe sich dieses Risiko voll ausgezahlt, meint Serge Dorny: "Natürlich mit Momenten von Selbstbefragung, von Angst, von Unsicherheit, von Verzweiflung, aber daraus ist eine unglaubliche Gemeinschaft entstanden. Es war eine künstlerisch und menschlich ganz besondere Erfahrung. Ich glaube, das haben wir in den Vorstellungen auch vermitteln können. Das hat künstlerisch im Haus etwas bewegt und Menschen auch zusammengebracht."
Die Bayerische Staatsoper musste mit "Krieg und Frieden" übrigens mit teils deutlich populäreren Werken anderer Häuser konkurrieren. So ging die schottische Oper mit Puccinis "Il trittico" ins Rennen, das Haus in Madrid mit Rossinis "Il turco in Italia" und die australische Oper mit "Hoffmanns Erzählungen". Allerdings waren auch das moderne Werk "Nixon in China" aus Paris und eine "Wozzeck"-Inszenierung aus London nominiert worden.
Übrigens fand die Preisverleihungs-Gala in Warschau statt, weil die letztjährigen Gewinner Lemberg und Odessa, zwei traditionsreiche Opernhäuser in der Ukraine, aus verständlichen Gründen die Veranstaltung nicht organisieren konnten. Mit Lemberg hat die Bayerische Staatsoper bereits eine Absichtserklärung zur gegenseitigen Unterstützung unterzeichnet, auch mit Odessa gibt es nach Auskunft von Serge Dorny Gespräche. Ob und wo die Gala im nächsten Jahr in München stattfinden wird, ist noch offen: Die sogenannten "dark nights", also vorstellungsfreie Termine, an denen das Haus dunkel bleibt, sind in der Staatsoper dünn gesät. Wenn nicht gespielt wird, wird meist geprobt. Die Suche nach einem passenden Raum und Termin hat gerade begonnen.
Auch das Bayerische Staatsorchester wurde erst kürzlich von der "Opernwelt" zum "Orchester des Jahres" gekürt. In diesem Jahr feiert das Bayerische Staatsorchester auch Jubiläum. Es wird 500 Jahre alt. Alles dazu finden Sie in unserem Dossier "500 Jahre Bayerisches Staatsorchester".
Sendung: "Leporello" am 10. November 2023 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (1)
Mittwoch, 15.November, 08:34 Uhr
Trappe
Bestes Opernhaus???
Es ist doch eigentlich traurig, dass die Wahl absolut nichts mit dem Orchester zu tun hat. Und umso trauriger dann, wenn man die letzten grottigen und Sinn-entstellten modernen Aufführungen denkt. Der Titel des Opus (zB Hochzeit des Figaro) hält her, um politischen und gesellschaftlichen Mist und Hirngespinste der Regisseure ertragen zu müssen. - Somit handelr es sich um eine Auszeichnung ohne Wert!