Flugreisen und Fernambukholz-Bögen: Klassische Orchester sind erst einmal nicht besonders nachhaltig. Der Verein "Orchester des Wandels" versucht da seit Jahren gegenzusteuern. Was sich verändert hat und was Musiker überhaupt leisten können.
Bildquelle: Andreas Volz/wwf
Klassische Konzerte können einen wunderbaren Ausweg bieten. Da geht man hin, hört ein bisschen Beethoven, spürt sehr viel und vergisst im Idealfall die aktuell drängenden Probleme. Klassik als Welt- und Wirklichkeitsflucht. Jene Welt und Wirklichkeit, die auch vom traditionellen Klassikbetrieb beeinflusst wird, sei es über den enormen CO2-Ausstoß durch Reisen, sei es über klimaschädliche Herstellung von Instrumenten. Der Verein "Orchester des Wandels" will genau da sensibilisieren. Hier wird es ganz konkret mit der Umweltverträglichkeit und der Nachhaltigkeit in der Klassischen Musik. Ehrenamtlicher Vorstand des Vereins ist Ulrich Haider, Hornist bei den Münchner Philharmonikern.
Doch was können denn Musikerinnen und Musiker konkret tun? Ziemlich viel, wie Ulrich Haider im BR-KLASSIK-Interview erklärt. Das fängt bei den Instrumenten an. Denn in Holzblasinstrumenten, in Gitarren und vor allem auch in Streichinstrumenten sind zum Beispiel oft tropische Hölzer verbaut. Palisander oder Ebenholz. Oder Fernambukholz, das für fast alle hochwertigeren Streicherbögen benutzt wird. Deshalb unterstützt der Verein Aufforstungsprojekte in Madagaskar und Brasilen. Ziel ist es, dass 200 Hektar neuer Wald angepflanzt werden. 2023 entstanden 43 Hektar neu und 58 Hektar Bestand werden bereits gepflegt. Dadurch sollen nicht nur diese Baum- und Pflanzenarten vor dem Aussterben gerettet werden. Gleichzeitig wird durch die Arbeit, die der Verein mit großen Umweltorganisationen vor Ort leistet, auch Bewusstsein und sogar eine neue ökonomische Grundlage für die Menschen vor Ort geschaffen. "Wir tauschen uns mit Verantwortlichen vor Ort aus, das wird auch auf wissenschaftlicher Basis überwacht", berichtet Ulrich Haider.
Ein Idealfall. So ganz einfach ist es nicht immer. Seit 2020 gibt es den Verein "Orchester des Wandels". Er geht auf eine Initiative der Berliner Staatskapelle zurück, die 2009 die Stiftung "NaturTon" gründete und Klimakonzerte veranstaltete. Nachdem die Münchner Philharmoniker an einem Nachhaltigkeitsprogramm der Stadt München teilgenommen hatten, trat Ulrich Haider mit dem Verein in Kontakt. Denn für Haider war schnell klar: Er möchte sich weiter engagieren.
Die Hauptaufgabe bei den Orchestern sieht Haider in der Kommunikation. Sie als Musikerinnen und Musiker haben Außenwirkung, also eine Bühne im wahrsten Sinn, auf der sie auch auf solche Themen hinweisen können. Und diese Öffentlichkeit, die Aktivisten der Letzten Generation in der Hamburger Elbphilharmonie nutzen, in dem sie sich am Dirigentenpult festklebten, selbst nutzen. "Wir erreichen die Menschen auf der emotionalen Ebene, da können wir am meisten bewirken. Bewusstsein schaffen. Mit dem Publikum in Dialog gehen, um Themen zu positionieren", erklärt Haider im Interview.
In München haben die Philharmoniker so zum Beispiel in Kooperation mit WWF ein Konzert für die obere Isar gespielt. Dort befinden sich ein paar Kilometer Wildflusslandschaft, die quasi in Konkurrenz zu einem Kraftwerk stehen. Im Konzert waren dann Politiker, aber auch die Betreiber des Kraftwerks.
So eine konkrete Verknüpfung von Konzert und Thema hat es kürzlich auch in anderen Städten gegeben, etwa in Augsburg ein Konzert zum Thema Wasser. Und in Nürnberg haben sich die Musikerinnen und Musiker mit Bodenfruchtbarkeit beschäftigt, wie Haider berichtet. Doch der Musiker hofft auch, dass Privatleute über solche Konzerte auch ein Bewusstsein für diese Themen entwickeln. Denn seine große Sorge ist, dass Klima- und Naturschutz in der Gesellschaft gerade so in der Hintergrund rückt. "Das gibt mir sehr zu denken", sagt Haider.
Und der Orchester-Lifestyle? Auch da greifen diese Ideen: Überlegungen, welche Konzertreisen künstlerisch wirklich nötig sind. Oder mit dem Zug vom Gastspiel in Amsterdam zurück nach München fahren. "Da wären wir früher sicher geflogen", sagt Haider. Oder auch neue Instrumentenkisten anschaffen, die ein kleineres Volumen haben und deren Transport so auch ein bisschen CO2 einspart.
Sendung: "Leporello" am 2. Juli 2024 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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