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AR-Brillen-"Parsifal" in Bayreuth Erweiterung der Bühnenrealität

Erstmals kommen in einer Inszenierung bei den Bayreuther Festspielen AR-Brillen zum Einsatz. Das Bühnengeschehen wird damit um eine digitale Ebene erweitert. Doch wie funktioniert die Technik fürs Theater? Und was bringt sie künstlerisch? Eine Recherche vor Ort.

Bildquelle: Bayreuther Festspiele

Bayreuther Festspiele 2023

Augmented Reality im Parsifal

Ob Augmented Reality tatsächlich das Zeug zum neuen Gral der Operninszenierungen hat – das wird sich zeigen. Klar ist: ein Teil des Publikums wird die Premiere des Parsifal in der Inszenierung von Jay Scheib durch eine ganz spezielle, hochtechnische Brille erleben, und damit mehr sehen als nur das, was auf der Bühne passiert. Zum einen gibt die Brille den Blick auf die Bühne frei, zusätzlich werden dort aber weitere Bilder eingeblendet – in Echtzeit und im Takt der Musik. "AR", Augmented Reality, auf Deutsch: "Erweiterte Realität" – das altbekannte Erlebnis Bayreuth wird sich dadurch also deutlich verwandeln.

Augmented Reality: Eine Innovation fürs Musiktheater?

Eine Innovation für das Musiktheater, findet der Theatertechniker Vincent Kaufmann: "Wir haben über die Technik die Möglichkeit, ein simultanes Live-Erlebnis zu schaffen", erklärt er. Hier habe man – im Gegensatz zur Virtual Reality, wo ja alles gefilmt ist – die Möglichkeit, Theater mit der digitalen Welt zu verknüpfen. So kann man etwa im Publikum Schnee fallen lassen oder andere atmosphärische Effekte einbringen. "Das geht natürlich über die AR-Brille sehr, sehr einfach und wäre mit echtem Schnee oder Nebel schwer realisierbar." Doch eines ist Vincent Kaufmann wichtig: "AR ersetzt kein Bühnenerlebnis, sondern ergänzt das auf der Bühne bestehende Live-Erlebnis." 

Das ist ein völlig neues Seh-Erlebnis, das wir dem Publikum anbieten können.
Ulrich Jagels, Geschäftsführer in Bayreuth

Ergänzen, nicht ersetzten, das ist hier das Stichwort. Und wem die Brille zu schwer, zu sperrig oder einfach auch nur zu viel wird, kann sie jederzeit abnehmen und dann die normale Inszenierung auf der Bühne anschauen. Auch der kaufmännische Geschäftsführer der Bayreuther Festspiele, Ulrich Jagels, sieht in dieser Technik eine spannende Zukunft für das Musiktheater. Denn über die AR-Brille könne man Dinge dreidimensional wahrnehmen. "Das ist ein völlig neues Seh-Erlebnis, das wir dem Publikum anbieten können", schwärmt Jagels. "Ich schätze, dass die AR-Technologie in einigen Jahren zu unserem Alltag gehören wird und es auch weitere Theaterhäuser geben wird, die mit dieser Technologie Produktionen auf die Bühne bringen".

Mit Oper muss die Technik erstmal klarkommen

Technisches Neuland für die Oper also – wer allerdings schon mal ein Computerspiel angefasst hat, dem wird diese Technik längst begegnet sein: Dort gehört AR bereits seit einigen Jahren dazu. Die Oper bringt dabei allerdings ihre ganz eigenen Herausforderungen mit sich, einen ganz besonderen Zauber, mit dem die Technik erstmal klarkommen muss. Denn das Musiktheater ist im Kern immer noch ein Live-Erlebnis, die Musik wird von Menschen und eben nicht von Maschinen gespielt. Joshua Higgason, Videodesigner der aktuellen Parsifal-Produktion auf dem Grünen Hügel, erklärt, warum gerade dieser menschliche Faktor eine große Herausforderung für sein Technik-Team ist. Anders als bei einer Rock’n’Roll Show unterscheiden sich die einzelnen Vorstellungen in der Oper sehr. Das Dirigat könne an einem Abend mal schneller, am nächsten wieder langsamer sein. Doch: Das Bild muss immer mit der Musik synchron sein. "Wir müssen also irgendwie große Mengen an Bildern abspielen, aber flexibel genug sein, dass man eben nicht einfach am Anfang auf Start drückt und ein Video abspielt", sagt Higgason. Schließlich habe man den ganzen Inhalt auf die Geräte der Zuschauer gespielt. Zusätzlich gibt es eine Person, die dann in Echtzeit dem Programm an verschiedenen Stellen Einsätze gibt.

Erweiterung für Richard Wagners Gesamtkunstwerk

Auch die AR-Technik, am Ende ein kleiner Computer vor den Augen des Publikums, wird letztlich von einem Menschen kontrolliert. Richard Wagner hat von einer solchen Erweiterung seines Gesamtkunstwerks vermutlich nicht einmal geträumt – in seinem fast 150 Jahre alten Festspielhaus sei schon die Verlegung von Stromkabeln im Zuschauerraum sehr aufwendig, erklärt Videodesigner Higgason. Diese aber sind notwendig, um die AR-Brillen einsetzen zu können. Doch: Auch dieses Problem ist gelöst, technisch ist für die Premiere des Parsifal also alles bereit. Bleibt noch anzumerken, dass nur für 330 der fast 2000 Zuschauenden tatsächlich eine AR-Brille eingeplant ist. Die gibt es zwar quer durch alle Preiskategorien, allerdings mit einem Preisaufschlag. Aber wer weiß – hat der Versuch Erfolg – gibt es vielleicht ja schon nächstes Jahr AR-Brillen fürs gesamte Publikum.

Sendung: "Allegro" am 4. Juli 2023 um 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (5)

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Freitag, 07.Juli, 06:06 Uhr

Dorfrichter Adam

AR-Inszenierung

Könnte das geschätzte Publikum erst einmal die Premiere abwarten, bevor es tobt? Kann ja sein, dass das Experiment in die Hose geht, vielleicht aber auch nicht. Und dabei immer an R. W. denken: "Kinder, schafft Neues!" Ich für meinen Teil freue mich auf den Besuch der Aufführung, auch wenn ich keine Brille abbekommen habe (die bei meinem angeborenen Augenfehler eh nicht funktionieren würde).

Donnerstag, 06.Juli, 06:58 Uhr

Beate Schwärzler

der technisch hochgerüstete Mensch

Ist der Mensch nicht mehr fähig (und bereit), sich Erlebnissen einfach nackt auszuliefern ?
Nackt, so wie Gott ihn schuf, aber mit wachen eigenen Sinnen ?

Traurig.

Mittwoch, 05.Juli, 18:02 Uhr

Karl Bauer

AR Brillen

Ob diese Brillen wohl das Wichtigste, nämlich die musikalische Interpretation beflügelt??? Ich denke, kaum!!!!
Armes Bayreuth, armer Richard Wagner!!!!

Mittwoch, 05.Juli, 10:43 Uhr

Dr. Peter Bilsing

AR Brillen

Hallo Freunde habt ihr hinter dem Weisswursstwall überhaupt mitgekriegt, dass die ganze Geschichte schon vor ein paar Wochen in Düsseldorf bei den "Saupreiisen" Premiere hatte!?

Dienstag, 04.Juli, 07:03 Uhr

Trappe

Technik?

Mir scheint, dass die Technik im Fokus von und um Katharina Wagner steht, die Qualität geht hingegen weiterhin flöten. Ein Indiz dafür, dass dies auch das sachkundige Publikum versteht, sieht man am Rückgang der Kartenverkäufe. Warum soll man auch für mindere Qualität an Sängern, moderner Regie sich eine so lange Zeit in die Oper setzen. Schade, aber Hauptsache Neuerungen der Technik kommen hinzu…

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