Eine verloren gegangene Partitur, ein vergessener Komponist. In Nürnberg entdeckt die Pocket Opera Company nun den jüdischen Komponisten Max Ettinger wieder. Und führt dessen "Eifersüchtigen Trinker" im Neuen Museum auf. Ein Probenbesuch.
Bildquelle: Anja Bühling
Wenn der langjährige musikalische Leiter der Nürnberger Pocket Opera Company (POC), Franz Killer, bei den Proben von seiner neuesten Produktion spricht, dann funkeln seine Augen, besonders, wenn es um den jüdischen Komponisten aus dem ukrainischen Lwiw und seine Musik geht. "Max Ettinger ist ein völlig vergessener Komponist und ich muss sagen: immer mehr zu Unrecht, stelle ich fest, weil von der musikalische Qualitätvbin ich teilweise geplättet", schwärmt er. Nun steht die Premiere der Oper an - im Neuen Museum in Nürnberg, ganz dem Ensemble entsprechend, das mit seinen Produktionen an immer wieder neue Spielorte zieht. Ähnlich wie etwa auch die Opera Incognita in München.
"Der eifersüchtige Trinker" ist eine der Opern, mit denen Ettinger in Nürnberg in den 1920er-Jahren Erfolge feierte. Doch aufgrund seiner jüdischen Wurzeln musste der Komponist vor den Nationalsozialisten fliehen. Er starb 1951 vergessen in der Schweiz. Seinen Nachlass vermachte er der Israelitischen Kultusgemeinde Zürich. Dort entdeckte ihn Franz Killer durch Zufall. Aus Kopien handschriftlicher Aufzeichnungen machte er über Jahre eine spielbare Partitur.
Max Ettingers Musik reicht von der Spätromantik hin zur Moderne. Sie ist auch für Tenor Oliver Kringel, der den jungen Lippo singt, eine Überraschung: "Also ich finde sie eigentlich sehr fortschrittlich. Sie hat wunderschöne romantische Linien, aber dann auch zwischendrin folkloristische Elemente. Und sowohl für die Sänger:innen und auch im Orchester gibt es gesangliche Linien und es macht total Spaß, es zu singen." Lippo ist dankbar für die Arbeit, die Franz Killer sich gemacht hat, um diese Musik wieder auszugraben.
Franz Killer (rechts) und das Ensemble der POC backstage. | Bildquelle: Anja Bühling Das Stück basiert auf einer der Novellen aus Giovanni Boccaccios "Il Decamerone". Es erzählt vom trunksüchtigen Tofano, der glaubt, seine Frau Ghita betrüge ihn. Er will sie deshalb öffentlich an den Pranger stellen. Doch sie dreht den Spieß um. Sopranistin Gertrud Demmler Schwab ist in der Rolle der Ghita voll gefordert: "Ich muss wirklich sehr extrem dramatisch sein", erzählt sie. Doch die Musik gebe das auch vor: "Man kann überhaupt nicht ruhig bleiben, sondern es geht voll ab. Das was ich singe, animiert die anderen Musiker, und was sie spielen animiert mich."
Zehn Gesangsrollen und der Motettenchor Nürnberg bestreiten den anspruchsvollen gesanglichen Part dieser Geschichte über Wahrheit und Täuschung. Beim Orchester setzt Franz Killer auf Saxofone. Dazu Schlagwerke, Akkordeon, Flöte, Posaune, Violoncello und Kontrabass.
Es ist nicht einfach, diese nuancierte Klangwelt im hohen, offenen Eingangsbereich des Neuen Museums zu spielen. Ein anspruchsvoller Raum, der gleichzeitig einen passenden Rahmen für das Stück bietet, um uns das Werk des vergessenen jüdisch-ukrainischen Komponisten näher zu bringen. "Es ist doch erschreckend schlimm, wenn ein Künstler, der unwahrscheinlich Erfolg hat, und den Erfolg hatte Ettinger offensichtlich in den Zwanzigerjahren, völlig ausradiert und vergessen wird", sagt Franz Killer. Für ihn war es daher spannend, so etwas herauszubringen. Und mehr noch: Er sieht die Wiedersichtbarmachung solcher Werke eigentlich auch als Verpflichtung.
Sendung: Allegro am 17. Oktober 2024 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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