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Zum 80. Geburtstag von Brian Ferneyhough Verehrt und abgewehrt

Komplex, komplexer, am komplextesten: Der britische Komponist Brian Ferneyhough gilt als Begründer des Komplexismus. Nun wird er 80 Jahre alt, aber an seine Kompositionen wagen sich bis heute trotzdem nur Wenige.

Bildquelle: picture-alliance/dpa

Porträt

Der Komponist Brian Ferneyhough wird 80

Die Grenze der Unspielbarkeit

Brian Ferneyhoughs Musik sorgt für Kopfzerbrechen, für Stöhnen und Ächzen und mutmaßlich auch für den ein oder anderen Fluch. Eine Zumutung sind seine Kompositionen: komplex, technisch wahnsinnig anspruchsvoll bis an die Grenze der Unspielbarkeit. Ferneyhough gilt als Begründer des Komplexismus, und hat mit dieser Strömung ganze Generationen von Komponistinnen und Musikern geprägt, erfreut, verärgert. Als er seine Karriere begann, war es fast unmöglich Leute zu finden, die seine Partituren spielen konnten, und bis heute wagen sich nur die besten Musikerinnen und Musiker an Ferneyhoughs Musik heran. Das Arditti Quartett zum Beispiel.

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Brian Ferneyhough - String Quartet No. 2 (w/ score) (1979/80) | Bildquelle: belanna000 (via YouTube)

Brian Ferneyhough - String Quartet No. 2 (w/ score) (1979/80)

Gehirntraining auch für die Hörer

Einfacher ist es da schon, Ferneyhoughs Musik bloß zu hören. Aber auch das ist Training, Gehirntraining. Es erfordert Hingabe und höchste Konzentration zugleich. Der an Narkolepsie leidende Ferneyhough selbst hört am liebsten Musik der Renaissance und des Frühbarock. Vielleicht, spekuliert er, weil er in jungen Jahren Blechbläser war – wenn auch kein herausragend guter. Seine eigenen Stücke konnte er jedenfalls bald nicht mehr spielen. Cassandras Dream Song für Flöte solo (Flöte und Oboe spielte er auch) – 1970 komponiert, als er 27 Jahre alt war – markiert einen Tipping Point. Ab jetzt ist Ferneyhough ein Nur-noch-Komponist.

Ich bin der Musik immer unsäglich dankbar.
Brian Ferneyhough, Komponist

Komponist und Lehrer

"Seit meinem 15. Lebensjahr habe ich mich nicht anders denn als Komponist verstanden, auch wenn zunächst herzlich wenig an Komponiertem realiter vorzuzeigen war", sagt Ferneyhough selbst über sich. "Was zunächst als schier lebensrettend gedacht war, hat sich mit der Zeit als kritisch lebensbejahend weiterentwickelt. Ich bin der Musik immer unsäglich dankbar." Irgendwann fängt er auch an zu unterrichten. Nachdem er sich eine Zeit lang gesträubt und anschließend dann doch hat überreden lassen, von seinem Lehrer, Mentor und Freund Klaus Huber. "Meinen Schülern bin ich auch dankbar, indem sie mich durch ihr verbindliches Ausfragen zu adäquaterer Selbsteinsicht zwingen", so Ferneyhough.

Selbstironisch, humorvoll und dankbar

Bei aller Liebe fürs Komplexe ist Brian Ferneyhough selbstironisch-humorvoll, und jemand, der sich zur tiefen Rührung und Dankbarkeit bekennt. Vielleicht, weil er schon immer darauf angewiesen war, dass andere sich anstrengen für ihn, weil es ohne Anstrengung einfach nicht geht bei seinen Stücken. Ferneyhough schafft es, andere zu Höchstleistungen zu motivieren. So gesehen ist er der vielleicht strengste Trainer der zeitgenössischen Musik. Aber auch: der optimistischste. "Nach wie vor halte ich daran fest, dass die Kunst in Klängen zu denken, ein unabdingbarer Bestandteil unserer Gesellschaft sein muss", so Ferneyhough. "Ich habe das Gefühl, dass der kreative Binnenverkehr im Lebensraum zeitgenössischer Musik heute reger ist denn je."

Professor in Stanford

Mittlerweile ist der Ernst-von-Siemens-Musikpreisträger im Ruhestand. Vor vielen Jahren entfloh er dem miesen englischen Wetter und lernte als Professor in Stanford das kalifornische Licht zu lieben. Dieses herrliche Leuchten, das der kritisch lebensbejahende Ferneyhough jetzt mit 80 wohl noch häufiger genießen wird.

Sendung: "Allegro" am 17. Januar 2023 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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