Bewunderung und Entfremdung: Die Ausstellung "Richard Wagner und das deutsche Gefühl" im Deutschen Historischen Museum Berlin zeigt den Komponisten in seiner ganzen Widersprüchlichkeit – künstlerisch, menschlich und politisch.
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Entfremdung, Eros, Zugehörigkeit und Ekel – vier zentrale Gefühle beschreiben Richard Wagner in der neuen Ausstellung des Deutschen Historischen Museums in Berlin. Entfremdet fühlte sich der Komponist in Paris mit der französischen Oper, mit dem Belcanto, mit der französischen Ästhetik. Eros hieß für Wagner Entgrenzung. Seine Frauengeschichten sind Legende und hier mit einem Klagebrief seiner ersten Ehefrau Minna drastisch erklärt.
Die Ausstellung "Richard Wagner und das deutsche Gefühl" in Berlin. | Bildquelle: dpa-Bildfunk/Wolfgang Kumm Zugehörigkeit hieß für Wagner, Teil eines selbstdefinierten Deutschtums zu sein, eines altertümlichen Verständnisses für das Deutsche mit dem Symbol seines Samtbaretts. Auf vielen Fotografien finden wir diese Kopfbedeckung. "Er inszeniert sich als deutscher Künstler, weil das Barett in seiner Vorstellung eine mittelalterliche Kopfbedeckung war, auch von Dürer getragen", erklärt Ausstellungsmacher Philipp Springer. "Das Barett soll seine Rückwärtsgewandheit symbolisieren: Seine Hoffnung auf eine bessere Gesellschaft zieht er aus der Vergangenheit."
Die Ausstellung "Richard Wagner und das deutsche Gefühl" präsentiert im ersten Untergeschoss des Neubaus 500 Exponate von 56 Leihgebern aus vier Ländern. Sie zeigt den Komponisten und Theaterreformer, den Hofkapellmeister und Festspielgründer, den Revolutionär und Exilanten, den Kapitalismuskritiker, Schuldner und den Antisemiten in seiner Zeit. Auf die Folgen wie etwa Hitlers Wagner-Wahn geht sie nicht ein. Wagner lehrte sein Publikum, Deutsch zu fühlen. Nicht-Deutsche waren für Wagner Juden. Vor ihnen empfand er Ekel. Das Original seiner antisemitischen Hetzschrift vom "Judenthum in der Musik" ist ein besonders wichtiges, erschütterndes Exponat. Jeder Wagner-Fan versucht, die Schönheit der Musik zu trennen von Wagners Ideologie. Was schwierig ist, wenn Sigmund seine Waffe, das Schwert, musikalisch heiligt.
"Die Musik enthält Ideologie, Rassismus und Antisemitismus", sagt Kurator Michael Steinberg. "Aber man kommt in der Musikgeschichte nicht an Wagner vorbei. Diese Mischung zwischen Schuld und Unschuld, zwischen Ästhetik und Politik ist sehr wesentlich uns sehr kompliziert." Alles in der Ausstellung zeigt die Widersprüchlichkeit dieses Künstlers, dieser welthistorischen Figur. Wir sehen ein sehr schönes Gemälde des jüdischen Dirigenten Hermann Levi. Er dirigierte die Uraufführung von Wagners "Parsifal" mit dem bitteren Thema des Erlösungs-Antisemitismus. Schon zu seinen Lebzeiten verehrten Wagner auch jüdische Musikliebhaber. Sigmund, nach dem Helden aus der "Walküre", war der beliebteste jüdische Jungenname zu dieser Zeit.
Besucher in der Ausstellung "Richard Wagner und das deutsche Gefühl". | Bildquelle: dpa-Bildfunk/Wolfgang Kumm Noch ein Widerspruch: Wagner inszenierte sich zwar als Revolutionär, schwelgte aber im Luxus. Gut erhalten glänzt einer seiner seidenen Hausschuhe in der Vitrine, eisgrau, hübsch bestickt und sehr vornehm: "Der Hausschuh steht für Wagners Luxus", erklärt Philipp Springer. "Er versuchte, immer die teuerste und exquisiteste Kleidung zu tragen. Sein Luxusleben war ein Problem, weil er sich hoch verschuldete. Erst als Ludwig II. ihn zu finanzieren begann, war Geld kein Problem mehr für Wagner." Die Ausstellung im Deutschen Historische Museum Unter den Linden im Berlin-Mitte zeigt vom 8. April bis 11. September 2022 den Gefühlstechniker Richard Wagner, der berauscht und der immer wieder abstößt. Eine faszinierende Reise in das 19. Jahrhundert, nicht nur für Wagner-Kenner.
Sendung: "Leporello" am 06. April 2022 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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