In Sachen Wagner, Verdi und Strauss kann ihr niemand das Wasser reichen: Anja Harteros ist die vielleicht prägendste Sopranistin unserer Zeit. Und das ganz ohne Allüren. Glamour ist nicht ihr Ding. Am Samstag feiert die scheue Königin der Oper ihren 50. Geburtstag.
Bildquelle: Wilfried Hösl
Als Nikolaus Bachler im Sommer 2021 zum Ende seiner Intendanz an der Bayerischen Staatsoper zu einer großen Gala ins Münchner Nationaltheater lud, fehlte die wichtigste Sopranistin seines Hauses: Anja Harteros musste tags darauf als Isolde auf die Bühne. Und ließ ihren Tristan, Jonas Kaufmann, für sie mitfeiern. Seit Jahren bilden diese zwei so unterschiedlichen Charaktere ein faszinierendes Bühnengespann.
Jeder lässt den anderen machen, und irgendwie finden wir uns.
"Es war schon immer so, dass wir nur wenig Worte brauchten, um uns zu verstehen", erzählt die Sängerin. So sei viel Spontaneität zwischen ihnen möglich: "Jeder lässt den anderen machen und irgendwie finden wir uns."
Anja Harteros gestaltet all ihre Rollenportraits mit kontrollierter Ekstase. Immer hält sie die Balance zwischen dem Phänomen, "dass etwas in einem singt, und dem, dass man selber singt." Sich ganz in der Rolle zu verlieren, fände sie unheimlich. Die oft von Darstellern geforderte "Furchtlosigkeit" hält sie nicht für einen ihrer stärksten Charakterzüge,
Ich kann nicht sagen, dass ich furchtlos bin. Man muss etwas wagen.
Bühnenduo: Anja Harteros und Jonas Kaufmann | Bildquelle: picture alliance
Entscheidend sei das Vertrauen, so Harteros: Vertrauen in die Kollegen und Kolleginnen, Vertrauen etwa in die Regisseurin Amélie Niermeyer, die ihre Desdemona kräftig gegen das Jungmädchen-Klischee gebürstet hat. Da steht eine bedingungslos liebende Frau auf der Bühne, mit dunklem Haar, im bodenlangen Kleid, als erschütternde Anklage gegen eine vom Krieg versehrte Männerwelt. Stark auch ihre Elsa, die sich im Münchner "Lohengrin" von 2009 eigensinnig gegen die Zerstörung ihrer Liebe zur Wehr setzt.
Zum vollkommenen Opernglück fehlt dann nur noch: die Stimme der Harteros. Dieser überreiche Sopran von überwältigender Schönheit kann alles: zart glitzern, rotgold leuchten – und dynamisch zaubern. Übergangslos in den nächsten Gang schalten. Und wieder zurück. Wie sagte Peter Jonas mal? Man nehme gar nicht so richtig wahr, wann Anja Harteros den Turbo anwerfe.
Seit über 20 Jahren singt Anja Harteros nun in der Weltspitze. Seit über 20 Jahren bekommt sie Applaus – als direkte Bestätigung ihrer Leistung. Das stärke, sagt sie. Aber überbewerten solle man das nicht.
Anja Harteros – eine scheue Königin jenseits von hohlem Glamour und nervtötend ratternder PR-Maschinerie. Ihre glanzvollen Auftritte hat sie auf der Bühne. "Es gibt ein Glück, das ohne Reu'" singt Elsa im "Lohengrin". Opern und Liederabende mit Anja Harteros gehören unbedingt dazu.
Sendung: "Leporello" am 22. Juli ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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