Spacige Musik und roboterhaftige Tänze: Am Theater Hof hat der Ballettabend "The Terranauts" Premiere. Nach einer Romanvorlage von T. C. Boyle geht es hier um Zukunftsfragen der Menschheit – aber auch um unser ganz normales Miteinander im Hier und Jetzt.
Bildquelle: Harald Dietz
Es geht um unsere Zukunft. Wie wollen wir miteinander leben, was brauchen wir fürs Überleben? Der Ballettabend "The Terranauts" am Theater Hof basiert auf dem gleichnamigen Roman von T.C. Boyle. Nach den Klassikern "Feuervogel" und "Petruschka" dient jetzt der des US-Schriftstellers über ein großangelegtes Biosphäre-Experiment als Vorbild. Dazu wurde in 90er-Jahren ein abgeschlossener Glaskuppel-Bau in der Wüste Arizonas aufgebaut, erklärt Philipp Brammer, Dramaturg am Theater Hof, die Geschichte. Acht Menschen werden für zwei Jahre in ein Biohabitat , ein geschlossenes System eingesperrt. Können sie darin überleben? Es ist ein Ausblick, wie bemannte Raumstationen aussehen könnten. Aber natürlich ist das mit etlichen Regeln verbunden, die die Menschen dann irgendwann anfangen zu brechen. Und hier wird es für den Dramaturgen spannend: "Es bilden sich Liebschaften, es kommt zu Eifersucht, das bringt natürlich diese kleine Gesellschaft in große Unruhe".
Am meisten hat mich die Dynamik zwischen Menschen fasziniert.
Und dieses Mit- und Gegeneinander – das setzt auch Choreographin Lilit Hakobyan Studiobühne mit großer Leidenschaft um. "Am meisten hat mich die Dynamik zwischen Menschen fasziniert", beschreibt sie. Es gebe sehr viele Gemeinsamkeiten, wo alle Bewohnerinnen und Bewohner etwas schaffen wollen. Und ja, dann gebe es auch den Moment, wie das dann wieder auseinanderfällt.
Bildquelle: Harald Dietz Die 34-jährige stammt aus Armenien, hat an der Staatlichen Ballettschule Jerewan ihre Ausbildung absolviert und ist seit 2011 Mitglied an der Staatsoper Hannover. In Hof gibt sie nun ihr Debüt als Choreographin. Ihren Stil beschreibt sie selbst als "Contemporary Dance": "Ich improvisiere sehr viel, ich arbeite sehr viel aus, was aus meinem Körper herauskommt. Wenn ich irgendeine Musik höre, versuche ich, das in die Musik zu bauen."
In diesem Fall wurde es elektronische Musik. Dafür hat sie mit dem Sounddesigner und Tänzer Samuel Van der Veer zusammengearbeitet. "Ich fand elektronische Musik super, vor allem für den Anfang", erklärt sie. Da wird im Stück erst einmal nur gearbeitet, die Protagonist:innen leisten sich keine Gefühle. Dann, in der zweiten Hälfte, hört man den Unterschied auch in der Musik. Wenn sich die Menschen ineinander verlieben, wird klanglich alles ein bisschen weicher und liebevoller.
Und Weihnachten feiern die acht Männer und Frauen in dem abgeschlossenen Zukunfts-Kuppelbau – ganz klassisch mit Händel: Doch lange hält die Idylle nicht an. Eifersucht flammt auf, die Gruppe fällt auseinander. Kann es in einem solchen Lebens-Experiment überhaupt ein Happy-End geben? Ausschlaggebend für Dramaturg Philipp Brammer ist, dass sich die acht Protagonist:innen in der Geschichte ja freiwillig für zwei Jahren haben einsperren lassen: "Ist es dann wirklich ein Happy-End, wenn ich dann nach diesen zwei Jahren wieder raus darf? Ich weiß es nicht, ich persönlich würde es auch nicht ausprobieren wollen. Also, dass es so offen bleibt, ist schon geschichts-immanent für mich", erklärt er.
Rund 50 Minuten lang sind die zwölf Tänzerinnen und Tänzer der Hofer Compagnie gefordert – mal stakkato-artig und roboterhaft, dann wieder weiter ausladend, schier zerfließend. Von ihren Bewegungen lenkt kein Bühnenbild ab – das fordert auch die Fantasie des Publikums heraus.
Sendung: "Leporello" am 9. Juni ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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