Ein Schreckenstag für Europa: Am 24. Februar 2022 begann der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine. Seitdem ist für die Musiker:innen des Orchesters "Ukraina München" nichts mehr, wie es war. Nun spielen sie ein Gedenkkonzert für die Kriegsopfer - und wollen ein Zeichen für den Frieden setzen.
Bildquelle: picture alliance/dpa | Robert Michael
Vorbericht
Konzert des Kammerorchesters "Ukraina München"
Laut der UNO-Flüchtlingshilfe sind derzeit an die sechs Millionen Menschen außerhalb und knapp vier Millionen Menschen innerhalb der Ukraine auf der Flucht. Darunter sind auch viele Musikerinnen und Musiker. Einige von ihnen haben in Deutschland Zuflucht gefunden und spielen im Kammerorchester "Ukraina München" mit. Das Ensemble wurde 2016 unter Oksana Lyniv gegründet und nach kurzer Zeit an den jungen Dirigenten Artem Lonhinov übergeben. "Musikalische Brücken" - unter diesem Motto hat Lonhinov Werke ukrainischer Komponist:innen zusammengestellt.
Das Kammerorchester spielt unter anderem den hoch emotionalen Choral für Streicher von Hanna Havrylets. Die Komponistin starb nach längerer Krankheit drei Tage nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine. Aufgrund des Krieges konnte sie nicht medizinisch versorgt werden. Jungdirigent Artem Lonhinov hat das Stück bewusst an den Anfang des Konzertprogramms gesetzt: "Dieser Choral wird zur Zeit oft in der Ukraine gespielt. Danach gibt es einen Moment Stille. Alle stehen auf. Ihre Gedanken sind bei den Opfern. Es ist schon ein sehr trauriges Stück."
Artem Lonhinov ging es bei der Programmauswahl in erster Linie darum, die Vielfalt ukrainischer Musik zu zeigen. Das Cembalokonzert des Mozart-Zeitgenossen Dmytro Bortnyansy erklingt hier allerdings nicht mit dem Cembalo, sondern mit der ukrainischen Zitherlaute, der Bandura.
Der kulturelle Austausch, das Kennenlernen ukrainischer Musik war auch Grundgedanke bei der Gründung des Ensembles "Ukraina München", erzählt Lonhinov. "Am Anfang bestand das Orchester zur Hälfte aus Deutschen, zur anderen Hälfte aus Ukrainern. Mit dem Beginn der russischen Invasion hat es sich geändert, weil einfach viele Flüchtlinge nach Deutschland kamen. Seit zwei Jahren haben wir ein rein ukrainisches Orchester hier in München."
Anlässlich des zweiten Jahrestags des Angriffs Russlands auf die Ukraine spielt das Kammerorchester "Ukraina München" ein Gedenkkonzert. Am 8. Februar 2024 um 20:00 Uhr im Kulturhaus Milbertshofen, München. Das Konzert ist eine musikalische Danksagung an München für die Großherzigkeit, Kooperation und Hilfsbereitschaft, die die Geflüchteten in den letzten zwei Jahren erlebt haben. Infos zum Kartenverkauf finden Sie hier.
Auch Viktoriia Mendzhul ist so ein neues Orchestermitglied. Sie studierte gerade Viola an der Nationalakademie in Kiew, als sie ihre Heimat verlassen musste. Schließlich fand sie in Weimar einen neuen Studienplatz. Beim Orchester "Ukraina München" mitzumachen, bedeutet ihr viel: "Es gefällt mir sehr, dass wir ein komplett ukrainisches Programm spielen. Ich fühle mich einfach wie zu Hause." Nach Hause ist Viktoriia Mendzhul seit Beginn des Krieges zwei Mal gefahren: "Meine ganze Familie ist in der Ukraine. Das ist sehr schwierig. Dieser Krieg ist zur Gewohnheit für die Leute geworden. Aber es ist nicht normal. Es dauert einfach zu lang."
Dirigent Artem Lonhinov dagegen hat seine Familie in Dnipro seit drei Jahren nicht gesehen. "Vor ein paar Wochen wurde das Krankenhaus, in dem ich geboren wurde, zerbombt. Und das Einkaufszentrum, in dem meine Eltern immer einkaufen. Es ist nach wie vor sehr traurig, sehr schwer."
Musikalische Brücken zu bauen heißt für das Kammerorchester immer auch, menschliche Brücken zu bauen. Für Aufmerksamkeit sorgen, wo es schmerzt, hinzusehen. Traurig wird das Konzert dennoch nicht enden, die Hoffnung soll am Ende siegen: mit Yuri Shevchenkos "Batyary-Liedern" aus dem Jahr 2013 für Violine und Kammerorchester mit Taras Zdaniuk an der Solo-Geige. Der Komponist setzte sich in seinen Werken für eine unabhängige Ukraine ein. Diese Hoffnung auf eine freie Ukraine hat auch das Orchester. "Wir stehen auch dafür ein und nutzen unsere Stimme, wir Künstler", sagt Kateryna Yemets, Orchestermitglied der ersten Stunde. "Ich weiß nicht, wie viele Jahre wir noch brauchen, um wieder ins Gleichgewicht zukommen und unsere Psyche wieder aufzubauen. Wir hoffen, dass der Krieg bald vorbei sein wird."
Sendung: "Allegro" am 8. Februar 2024 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (0)