Man kennt ihn aus den Kammerspielen: Zu Lilienthal-Zeiten feierte Christopher Rüping in München große Erfolge. Jetzt kommt der Regisseur zurück, allerdings an die Bayerische Staatsoper. Dort inszeniert er "Il Ritorno" von Monteverdi – seine erste Musiktheaterarbeit. Uns hat er verraten, was er vorhat.
Bildquelle: Schauspielhaus Zürich
Mit den Griechen hat er’s irgendwie. 2019 entwickelte Rüping an den Münchner Kammerspielen den grandios-elefantösen Theatermarathon "Dionysos Stadt", eine zehnstündige Inszenierung diverser antiker Stoffe, die ihm einen üppigen Preisregen bescherte. Darunter die Auszeichnung als Regisseur des Jahres von der Fachzeitschrift "Theater heute" und eine Einladung zum Berliner Theatertreffen. Fünf Mal schlug der 37-jährige Rüping bislang dort auf – so oft wie andere im Lauf ihrer gesamten Karriere nicht.
Mit dem Ende der Intendanz von Matthias Lilienthal verlies auch Rüping das Jugendstiltheater an der Maximiliansstraße und inszeniert seitdem als Hausregisseur am Züricher Schauspielhaus. Was seinem so bitter im Stich gelassenen Münchner Publikum wiederum die Möglichkeit gab, sich dem süßen Reiz der Nostalgie hinzugeben, der Erinnerung an die großen Theaterzeiten der jüngeren, naja, jüngsten Vergangenheit und der Hoffnung auf die Rückkehr dieses Theaterheroen.
"Il Ritorno / Das jahr des magischen Denkens" nach Monteverdi und Joan Didion in der Regie von Christopher Rüping feiert am 7. Mai im Münchner Cuvilliestheater Premiere. Die Produktion ist Teil des "Ja, Mai"-Festivals der Bayerischen Staatsoper. Unsere Kritik finden Sie am Montagmorgen hier.
Wir leisten selbst einen Teil kompositorischer Arbeit
Und auf einmal ist er wieder da: "Il Ritorno d’Ulisse in Patria", die Rückkehr des Helden, in diesem Fall hinter und auf der Bühne. Denn Rüping knöpft sich im Cuvilliestheater Claudio Monteverdis Adaption der Heimkehr des Odysseus vor. Seine Premiere in Sachen Musiktheater. Ihn reize die Herausforderung, sagt er im BR-Interview. "Ich glaube, es ist wichtig, dass man immer wieder überprüft, ob man nicht künstlerisch feststeckt", so Rüping. "Und klar: Mit der Oper, dem Orchester, den Sängerinnen, der Partitur zu arbeiten, das ist eine neue Herausforderung für so einen Schauspielregisseur wie mich."
Eine Herausforderung, gegen die er sich bislang immer gesperrt habe, sagt Rüping. Zwar werde er seit Jahren auch für Musiktheaterinszenierungen angefragt, er habe jedoch immer abgesagt. Er habe geglaubt, seine prozessorientierte Arbeitsweise sei mit dem Opernbetrieb nicht kompatibel: sich Texte oder Themen suchen, sich auf einen Kern fokussieren und einen freien Abend daraus stricken. "An der Oper ist das ohne Weiteres nicht möglich, weil man gegen die Partitur nicht ankommt", so Rüping. Erst als Serge Dorny, Intendant der Bayerischen Staatsoper, ihm garantiert habe, dass er in München ähnlich arbeiten könne, habe er zugesagt. "Deswegen machen wir auch keine Oper vom Blatt, sondern wir kombinieren Monteverdi mit dem "Jahr des magischen Denkens" von Joan Didion. Die Schauspieler:innen spielen zusammen mit den Sänger:innen, sie sprechen über das Orchester, wir leisten also selbst einen Teil kompositorischer Arbeit."
Das Cuvilliestheater in München: Hier feiert Rüpings "Il Ritorno" am 7. Mai Premiere | Bildquelle: mauritius images Der thematische Berührungspunkt zwischen beiden Werken sei die Haltung der Penelope. In der Odyssee wartet sie stoisch auf die Rückkehr des Odysseus, auch wenn ihr alle sagen, er sei längst tot. Joan Didion wiederum erzählt in ihrem autobiografischen Essay von dem Jahr nach dem Tod ihres Mannes, von ihrer Weigerung, diese Endgültigkeit zu akzeptieren, ihrer fixen Vorstellung, er werde wieder zurückkommen. "Penelope und Joan Didion sind eigentlich miteinander verbunden", meint Rüping. "Beide sind in einer Situation, in der ihr Umfeld ihnen sagt: Es ist Zeit loszulassen. Und beide halten fest."
Eine Situation, die auch dem Opernpublikum vertraut sein dürfte. Das Festhalten an liebgewonnenen Aufführungstraditionen hat ja selbst eine gewisse Tradition im Musiktheater (Stichwort: Werktreue). Und nicht nur dort – wenn drei Jahre reichen, um nostalgisch auf selige Theaterzeiten zurückzublicken (s.o.), dann fühlt man sich hier auch als Theaterfan ertappt. Er könne schlecht einschätzen, wie das Publikum auf seinen Musiktheaterversuch reagieren werde, sagt Rüping am Ende des Gesprächs. "Was wir machen, ist zwar keine völlige Novität, aber dass wir diese zwei Formate zusammenbringen [Schauspiel und Oper; A.d.R.] hat schon Seltenheitswert. Das Publikum der Oper ist ja etwas älter, auch etwas reicher und wahrscheinlich weißer als im Schauspiel – und ich frage mich, ob das Publikum sich ein bisschen verändert durch den Angang, den wir hier wählen."
Sendung: "Allegro" am 5. Mai ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (2)
Sonntag, 07.Mai, 09:00 Uhr
Meyerschorsch
Ein Metzger macht eine Sahnetorte
@Tim Theo Tinn
...und wenn derjenige, der die "Sahnetorte" essen muß, darauf hinweist, dass sie furchtbar schmeckt, wird er noch als Ewiggestriger beschimpft.
Erstaunlich, wie die Verantwortlichen immer weiter an dem Ast sägen, auf dem sie sitzen... und sich dann wundern, warum Auslastungen zurückgehen0
Donnerstag, 04.Mai, 02:07 Uhr
Tim Theo Tinn
Anfänger Musiktheater-Inszenierung
Anfänger Musiktheater-Inszenierung: "Wir leisten selbst einen Teil kompositorischer Arbeit!"
Es stellt sich die Frage, ob die Bayrische Staatsoper der geeignete Boden für völlig unerfahrene Person in der Erfüllung einer Musiktheater Inszenierung ist. Angefangen von den Kosten, bis zu schlüssiger Weise dem Fehlen jeglichen Handwerks, sollten solche autodidaktischen Gehversuche mglw. doch eher nicht im Rahmen eines der ehemals renomiertesten Musiktheater-Tempel der Welt stattfinden.
Bei aller möglichen Ambitioniertheit, sollten solche Versuche im Rahmen einer Werstatt geboten werden und nicht im Cuvilliestheater. Und hier will jemand Unbelecktes auch direkt komponieren.
Aber offensichtlich findet diese Ermächtigung durch den Intendanten Dorny statt, der die Vermessenheit einer musiktheaterfremden Person angeblich kompositorische Arbeit zu leisten, mit trägt. Seltsam, seltsam - "ich kenn einen tollen Metzger, der sollte unbedingt auch Sahnetorten kreieren". Kann, wer kann?