Die Barockoboistin Xenia Löffler gräbt gern nach verschollenen, unerhörten Werken für ihr Instrument. Fündig wird sie heute nicht nur in verstaubten Bibliotheken, sondern entdeckt auch in Online-Katalogen immer wieder unbekanntes Repertoire der Alten Musik.
Bildquelle: BR / Henry Lai
Xenia Löffler | Flóra Fábri
J. S. Bach: Siciliano aus: Sonate BWV 1031
BR-KLASSIK: Gibt es bestimmte Mythen oder Missverständnisse über Alte Musik, die Sie gerne mal klären möchten?
Xenia Löffler: Ich habe vorhin nochmal bei Wikipedia nachgeschaut, was man da unter dem Begriff der „Alten Musik“ findet. Da steht tatsächlich immer noch, dass die Alte Musik die verschiedenen Musikstile des frühen Mittelalters bis etwa ins Jahr 1750 umfasst. Das ist in gewisser Weise richtig. Aber Alte Musik ist ja für uns Ausführende vor allem auch historische Aufführungspraxis. Wir spielen tolle Musik bis weit ins 19. Jahrhundert hinein mit dem entsprechenden Hintergrundwissen dazu. Wir versuchen, möglichst historisch informiert zu sein, auch in Hinblick auf das entsprechende Instrumentarium. Heutzutage gehört das eben auch zur Repertoirekenntnis, wenn man Haydn, Mozart, Beethoven, Schubert, Brahms, Schumann oder Wagner spielen möchte. Und vielleicht kann man diesen Mythos oder dieses Missverständnis ausräumen, dass Alte Musik ausschließlich auf das Mittelalter fokussiert, oder Renaissance und Barock.
Ich fühle mich einerseits beglückt durch die Dinge, die ich finde, andererseits auch etwas traurig angesichts der Tatsache, dass ich 99,99 Prozent der Werke niemals werde spielen können.
BR-KLASSIK: Welche ungewöhnlichen Repertoirestücke haben Sie in der Vergangenheit besonders fasziniert oder vielleicht auch herausgefordert?
Bildquelle: © Daniel Maria Deuter Xenia Löffler: Wenn ich mich auf die Suche begebe nach neuem Repertoire, stoße ich auf ganz viele hier unbekannte Komponisten. Zuletzt war das bei einer Einspielung von einem Oboenkonzert aus der Bibliothek der Fürsten Thurn und Taxis aus dem Ende des 18. Jahrhunderts. Als ich dann in den inzwischen online sehr gut zugänglichen Quellen und dem Katalog dieser Bibliothek geforscht habe, habe ich entdeckt, dass dort hundert verschiedene Oboenkonzerte liegen. Von den Komponisten habe ich noch nie etwas gehört. Ich fühle mich einerseits beglückt durch die Dinge, die ich finde, andererseits auch etwas traurig angesichts der Tatsache, dass ich 99,99 Prozent der Werke niemals werde spielen können. Es gibt unendlich viel zu entdecken für mich. Eine besondere Entdeckung waren zum Beispiel zwei Oboenkonzerte aus diesem Fundus in Regensburg. Der Komponist heißt Franz Xaver Kerzelli. Das war eine besondere Herausforderung, weil die auch echt schwer zu spielen waren.
BR-KLASSIK: Können Sie uns von einer besonders ungewöhnlichen oder unerwarteten Erfahrung während einer Aufführung erzählen, die Ihnen in Erinnerung geblieben ist?
Xenia Löffler: Es gab einen Moment bei der Kadenz eines klassischen Doppelkonzerts für Oboe und Fagott. Das Orchester schweigt, und mein Kollege und ich haben zur Kadenz angesetzt. Und plötzlich fängt meine Oboe wahnsinnig an zu quietschen und es sind überhaupt nicht mehr die Töne, die vorgesehen waren in dieser Kadenz. Ich war voll irritiert und dachte, mein Rohrblatt ist gerissen. Ich wusste gar nicht, wie ich das hinter mich bringen soll. Es hatte sich Kondenswasser im Instrument gebildet, und dann war die Oboe sozusagen außer Rand und Band geraten und hat mich wirklich in große Verzweiflung gestürzt. Zum Glück ging es dann im nächsten Satz wieder normal weiter, und wir konnten das gut zu Ende bringen. Aber das war einer meiner größten Schreckmomente.
Sendung: "Allegro" am 21. März 2024 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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