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NEUE JAZZ-ALBEN, VORGESTELLT IM GESPRÄCH - Vol. 24 Hören wir Gutes und reden darüber!

Beate Sampson, Roland Spiegel und Ulrich Habersetzer überraschen sich und Sie mit aktuellen Jazzalben. Dieses Format wurde mit dem Deutschen Radiopreis 2022 als "Beste Sendung" ausgezeichnet, hier die 24. Ausgabe von "Hören wir Gutes und reden darüber".

Cover: Ganna Gryniva - Kupala | Bildquelle: Berthold Records

Bildquelle: Berthold Records

"Hören wir Gutes und reden darüber Vol. 24" hier zum Nachhören.
In dieser Sendung haben sich Beate Sampson, Roland Spiegel und Ulrich Habersetzer zum vierundzwanzigsten Mal gegenseitig mit Alben überrascht: Niemand wusste vorher, was die jeweils anderen mitbringen würden. Über folgende drei Alben wurde in der Sendung gesprochen.

Ganna Gryniva: "Kupala", Berthold Records BR323215

Das sind Töne von berückender Schönheit. Die 1989 geborene, in der Ukraine aufgewachsene und seit 2002 in Deutschland lebende Sängerin Ganna Gryniva hat auch für dieses Album traditionelle ukrainische Lieder in eigenen Bearbeitungen aufgenommen. Im Unterschied zu ihrem früheren Album "Home" hat sie aber hier keine Band dabei, sondern sie ist im Wesentlichen allein zu hören; in fünf von acht Stücken begleitet sie der Schlagzeuger Julian Sartorius - mit viel Fingerspitzengefühl und dem Gespür für sanfte Sound-Erweiterung. In Stücken wie "Sokolonko" (das von einem Falken erzählt, der nach der Erntezeit die Menschen nach Hause führt), "Luli" (einem zarten Schlaflied) oder auch "Lebidonka" (über Kosaken, die ihr Land verteidigen, während die Angehörigen zuhause um sie beten, ein Song, der in anderer Version auch auf Ganna Grynivas erster Quintett-CD "Dykyi Lys" zu finden war) entfaltet sich eine faszinierende Stimmen-Vielfalt: Ganna Gryniva hat mit Hilfe eines Loop-Geräts mehrere Gesangs-Stimmen übereinander geschichtet; dabei nimmt ihre Stimme die unterschiedlichsten Farb-Nuancen an, klingt mal dunkel-kehlig, mal klettert sie in silbrig schillernde Höhen, mal schwebt sie behutsam in Mittellagen. Eine Stimme wird zu vielen, alle fesseln. Und erzählen mit sehr anrührenden Liedern Geschichten.

Andreas Røysum Ensemble: "Mysterier", Motvind Records MOT23CD

Cover: Andreas Røysum Ensemble - Mysterier | Bildquelle: Motvind Records Bildquelle: Motvind Records Fröhlich, wild, überbordend, choatisch, laut, mitreißend, unkonventionell - so könnte man die Musik auf dem Album "Mysterier" vom Andreas Røysum Ensemble beschreiben und so wirkt der Bandleader selbst auch auf der Bühne. Über zwei Meter groß, ganz schlank mit Lokführer-Käppi und wechselweise eine Klarinette oder einer Bassklarinette in der Hand ist Andreas Røysum eine durchaus markante Erscheinung. Ein fröhlicher Riese ist der Norweger, der mit seinen besten Freundinnen und Freunden eine Party feiert - allerdings eine hochmusikalische! 
Die Musik des dreizehnköpfigen Ensembles besetzt mit zwei Schlagzeugen, zwei Bässen, Cello und Geige, Trompete und Posaune, zwei Saxophonen, Flöte und Klarinette, sowie bei einigen Stücken Gesang pendelt zwischen trancehaftem Freejazz, wilder Banda-Musik, ganz feinen Blasorchester-Klängen und coolen Siebziger-Jahre-Grooves. Altsaxophonistin Signe Emmeluth oder Tenorsaxophonistin Marthe Lea zeigen sich als ausdruckstarke Solistinnen, bei zwei Stücken singt Sofie Tollefsbøl mit viel Soul und zerbrechlicher Zartheit. Ein Highlight ist der Folksong "Barbara Allen", den auch Joan Baez und andere im Repertoire hatten. "Mysterier" vom Andreas Røysum Ensemble ist ein Album, das Lust auf mehr und vor allem auf das Live-Erlebnis dieses Ensembles macht. 

Christoph Stiefel: "Full Tree", Nwog056

Cover: Christoph Stiefel - Full Tree  | Bildquelle: Nwog Bildquelle: Nwog Eine Rhythmusgruppe mit Schlagzeug, Bass und Piano, und dazu zwei Bläser. Wer in die Jazzgeschichte hineinhört, wird unendlich viele Bands finden, die seit der Bebop-Ära so besetzt sind. Umso wichtiger ist es, mit einem ganz eigenen Spielansatz, Kompositionsstil und Klang aufzuwarten, wenn man so ein Quintett an den Start bringt. Und das tut der Schweizer Pianist Christoph Stiefel mit seiner neu gegründeten Besetzung. Zu der gehören zwei seiner Landsmänner: Tenorsaxophonist und Bassklarinettist Domenic Landolf und Bassist Raffaele Bossard, und zwei Musiker aus Deutschland: der, durch seine Professur an der Musikhochschule in Bern auch in der Schweiz verankerte Schlagzeuger Dejan Terzic und Trompeter Bastian Stein. Gespielt werden Kompositionen von Christoph Stiefel, der seit fast 45 Jahren eine Größe der Schweizer Jazzszene ist - eine mit internationaler Strahlkraft. Am Beginn seiner Laufbahn spielte er in der Band des Harfenisten Andreas Vollenweider, doch schon bald rückten seine eigenen Formationen in den Vordergrund. Solo und mit seinem "Inner Language Trio" befasst er sich seit etwa 20 Jahren sehr intensiv mit einer Kompositionstechnik, die aus dem Mittelalter stammt und „Isorhythmik“ genannt wurde. Das abschnittsweise Wiederholen rhythmischer Strukturen, wie es im Cantus Firmus gehandhabt wurde, wendet Christof Stiefel modifiziert an und erschafft damit eine außerordentliche, rhythmische Intensität. Diese durchzieht - wenn auch nicht vordergründig auf der "Isorhythmik" basierend - die zehn Kompositionen auf seinem 23sten Album "Full Tree" und treibt herrlich gesangliche, weiträumige Themenbögen voran. Deren kraftvolle Homogenität besticht mit einer komplexen Textur - rhythmisch wie harmonisch. Ihren Verwebungen zu folgen, während man in die immer wieder fast orchestrale Klangdichte des Quintetts eintaucht, wird zur spannenden Hör-Erkundung, deren Höhepunkte die Musiker mit ihren exzeptionellen Soli liefern.

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