In seiner Geburtsstadt Amberg ist eine Straße nach Caspar Othmayr benannt, seine Musik aber ist vergessen. Das muss sich ändern, findet der Countertenor Franz Vitzthum – und zeigt auf diesem Album, dass Othmayr mit den Großen seiner Zeit locker mithalten konnte. Und wie er in seiner Musik entschieden für eine damals höchst umstrittene Persönlichkeit Partei ergriff.
Bildquelle: © Christophorus
Nur ein Straßenname ist von ihm geblieben, in Nürnberg, Heilsbronn oder Amberg. Und wahrscheinlich ahnen dort nicht einmal die Straßenbewohner, dass der Namensgeber einst ein berühmter Komponist war - so sehr ist seine Musik in Vergessenheit geraten. Den Weg zur Caspar-Othmayr-Straße zeigt der Navi, den Weg zu Caspar Othmayr selbst weist nun diese CD.
Fröhliche Lieder, fromme Motetten: Es ist eine abwechslungsreiche Zeitreise zurück ins 16. Jahrhundert, auf die uns der Countertenor Franz Vitzthum und das Dryades Consort mitnehmen. Und auf der begegnen wir einem begabten und ehrgeizigen jungen Musiker, der mit 16 seine Heimatstadt Amberg verlässt, um in Heidelberg in der kurpfälzischen Kapelle zu singen und an der Uni zu studieren. Gleich sein Opus 1 ist ein mutiges Bekenntnis zur Reformation: ein Trauergesang auf Martin Luther.
Als Protestant und Humanist wird Caspar Othmayr zum Leiter der Lateinschule im fränkischen Heilsbronn berufen, dann zum Probst an der Ansbacher Gumbertuskirche. Bald gilt er als "ein hoch und weitberühmter Musicus." Doch der Ruhm ruft Rivalen und Neider auf den Plan. Der Stadtrat von Ansbach setzt Othmayr so zu, dass er krank wird. Er flüchtet nach Nürnberg, aber die Behandlung dort schlägt fehl. Plötzlich und überraschend stirbt Caspar Othmayr - mit nicht einmal 40 Jahren.
Franz Vitzhthum und das Gamben-Consort unter der Leitung von Silvia Tecardi kombinieren Othmayrs Musik mit Stücken von berühmteren Zeitgenossen. Das garantiert Kontraste - und demonstriert zugleich, wie gut der Amberger mit den Großen seiner Zeit wie Ludwig Senfl, Heinrich Isaac oder Paul Hofhaimer mithalten konnte. Den roten Faden des vielfältigen Programms bildet dabei die Gegenüberstellung von Lastern und Tugenden, die musikalische Abbildung von Gier und Verzicht, von Zorn und Mäßigung, von Hochmut und Demut. Und da zeigt sich, dass allen guten Absichten zum Trotz Geiz schon damals geil war und die Laster die Fantasie der Komponisten am Ende doch mehr beflügelt haben als die Tugenden - wie Lorenz Lemlins lustiges Lied vom Kuckuck als Ehebrecher beweist.
Franz Vitzthums leuchtend-schlanke, fast instrumentale Counter-Stimme mischt sich wunderbar mit den schnurrenden Gamben des Dryades Consorts. Dass die Musiker die polyphonen Partituren in Lieder mit Instrumentalbegleitung verwandeln, kommt heutigen Hörgewohnheiten entgegen, setzt Othmayrs Begabung als Melodienerfinder ins rechte Licht und ebnet uns den Weg zu ihm. Bis am Ende der Reise kein Zweifel mehr besteht: Die Caspar-Othmayr-Straße gehört zu den besten Adressen der deutschen Renaissancemusik.
Franz Vitzthum
Dryades Consort, Silvia Tecardi (Leitung)
Label: Christophorus
Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 23. Januar 2022, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK