Leipzig, 17. Mai 1847. Als Felix Mendelssohn vom Tod seiner Schwester Fanny erfährt, bricht er ohnmächtig zusammen. Die beiden Geschwister Mendelssohn waren schon als Kinder einfach unzertrennlich: Sie musizierten zusammen, gaben sich gegenseitig Tipps beim Komponieren und standen sich auch menschlich sehr nahe. Nicht einmal der Tod kann sie für lange Zeit trennen.
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Sie sind DAS Geschwisterpaar der Musikgeschichte. Fanny und Felix Mendelssohn sind ein Herz und eine Seele. Das bleibt auch so, als sie erwachsen sind. "Eben habe ich meine Lieder fertig geschrieben", schreibt Fanny im Mai 1829 an Felix, der gerade in England weilt. Sie schickt ihm die Noten und bittet den Bruder um sein ehrliches Urteil.
Ich denke, es ist die schönste Musik, die jetzt ein Mensch auf der Erde machen kann
Der 20-jährige Komponist ist vom Talent seiner Schwester überzeugt und zeigt sich von ihren Liedern beeindruckt: "Ich denke, es ist die schönste Musik, die jetzt ein Mensch auf der Erde machen kann. Wenigstens hat mich nie etwas so durch und durch belebt und ergriffen." Dennoch ist Felix – ebenso wie Vater Abraham Mendelssohn – streng dagegen, dass Fanny ihre Kompositionen veröffentlicht. Das schicke sich nicht für eine Frau.
Einige von Fannys Werken erscheinen unter Felix’ Namen. Er ist es, der die große Karriere als Komponist macht. Als Frau bleibt Fanny dieser Weg in die Öffentlichkeit verschlossen. Sie musiziert und komponiert nur zuhause. Fanny hat daran zu knabbern. Das ändert aber nichts daran, dass sie Felix zeitlebens eng verbunden bleibt – menschlich wie musikalisch. Sie ist seine Vertraute, seine Kritikerin, seine Inspiration.
Fanny Mendelssohn-Hensel und Wilhelm Hensel | Bildquelle: picture-alliance / akg-images Auch als Fanny den Maler Wilhelm Hensel heiratet und sie nicht mehr zusammen wohnen, schicken sich die Geschwister weiterhin eifrig Noten und herzliche Briefe. Am Tag ihrer Hochzeit etwa schreibt Fanny dem Bruder einen wahren Liebesbrief: "Ich werde Dir morgen, und in jedem Moment meines Lebens dasselbe wiederholen können, und glaube nicht, Hensel damit Unrecht zu tun. Und daß Du mich so liebst, das hat mir einen großen innern Werth gegeben, und ich werde nie aufhören, sehr viel auf mich zu halten, so lange du mich liebst."
Fanny und Felix teilen ihr Leben aus der Ferne. Während Felix viel auf Konzertreise ist, spielt sich Fannys Leben weitgehend zuhause in Berlin ab. Im Mai 1847 probt sie für die nächste Sonntagsmusik im Gartensaal. Auf dem Programm steht Musik ihres Bruders: "Die erste Walpurgisnacht". Doch plötzlich spüren ihre Finger die Tasten nicht mehr. Fanny badet die tauben Hände in Essigwasser. Sie fühlt sich besser, will zurück ans Klavier. Da bricht sie bewusstlos zusammen. Ein Schlaganfall. Fanny stirbt noch am selben Abend – mit 41 Jahren.
Felix Mendelssohn Bartholdy | Bildquelle: picture-alliance / akg-images Als Felix wenige Tage, am 17. Mai 1847, vom Tod der Schwester erfährt, stößt er einen furchtbaren Schrei aus und bricht ohnmächtig zusammen. Von diesem Schicksalsschlag soll er sich nicht mehr erholen. Erschüttert schreibt er an seinen Schwager: "Du hast meine Schwester sehr glücklich gemacht ihr ganzes Leben hindurch, so wie sie es verdiente. Das danke ich Dir heut und so lange ich atme und wohl noch darüber hinaus – nicht mit bloßen Worten, sondern mit bittrer Reue darüber, daß ich nicht mehr für ihr Glück getan habe, daß ich sie nicht mehr gesehen, mehr bei ihr gewesen bin."
Felix fühlt sich wie gelähmt. Auch Wochen später bringt er nichts zu Papier: "Bis jetzt kann ich an Arbeit, ja an Musik überhaupt nicht denken, ohne die größte Leere und Wüste im Kopf und im Herzen zu fühlen", schreibt er an seinen Freund Karl Klingemann. Um sich zu erholen, reist Felix für mehrere Monate in die Schweiz. Langsam beginnt er wieder zu komponieren und verarbeitet Fannys Tod in einem Streichquartett. Es ist in f-Moll — düster, schroff, zerrissen.
In dieser zehnteiligen Hörbiografie von BR-KLASSIK über das Leben von Fanny & Felix Mendelssohn sorgen herausragende Schauspieler wie Udo Wachtveitl und Martina Gedeck für die ebenso wirklichkeitsnahe wie unterhaltsame Darstellung vom Leben der beiden Künstler.
"Ich muss jetzt nach und nach anfangen, mir mein Leben und meine Musik wieder zurechtzulegen mit dem Bewusstsein, dass Fanny nicht mehr dabei ist", schreibt er an Klingemann. Felix versucht einen Neuanfang. Doch dazu kommt es nicht mehr. Im Oktober 1847 erleidet auch Felix einen Schlaganfall, Anfang November einen zweiten. Er fällt ins Koma, aus dem er nicht mehr erwacht. So stirbt Felix nur wenige Monate nach Fanny. Er wird 38 Jahre alt. Beerdigt wird er auf dem Dreifaltigkeitsfriedhof in Berlin – direkt neben der geliebten Schwester.
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Mendelssohn | Streichquartett f-Moll op. 80
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Sendung: "Allegro" am 17. Mai 2024 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK