Berlin, 27. Februar 1838: Fanny Mendelssohn tritt als Pianistin auf. Öffentlich. Und auch nur dieses eine Mal. Nur ein einziges Mal darf sie vor großem Publikum das sein, was sie doch durch und durch ist: Eine Künstlerin, eine Komponistin, eine Pianistin.
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Ja, sie tritt auf, aber es ist keines dieser Konzerte, über die die Kunstwelt spricht. Es ist ein Benefizkonzert, noch dazu eines, das ihr Vater, der Bankier, veranstaltet. Und was spielt sie, die Komponistin Fanny Hensel? Sie spielt das g-Moll-Klavierkonzert ihres Bruders Felix Mendelssohn Bartholdy. Ihre eigenen Werke bleiben ungehört.
Insgesamt sind es nahezu 500 Kompositionen, die Fanny Hensel in ihren 41 Lebensjahren niederschreibt. Ihre Werke, überwiegend Lieder und Klavierstücke, entstehen im steten Wiederstreit eines künstlerischen Müssens mit dem angelernten Zweifel. Ein Zweifel, den ihr Vater auf den Punkt bringt, als er ihr zu ihrem 23 Geburtstag rät: "Du mußt Dich mehr zusammennehmen, mehr sammeln, Du mußt Dich ernster und emsiger zu deinem eigentlichen Beruf, zum einzigen Beruf eines Mädchens, zur Hausfrau bilden".
Zu einer Hausfrau soll sie werden. Fanny, die nahezu dieselbe musikalische Erziehung genossen hat wie ihr Bruder Felix, die ein so großes Talent mitbringt und auf Grund ihrer familiären Situation alle Voraussetzungen hätte, mehr zu sein als nur die Schwester des berühmten Felix Mendelssohn Bartholdy. Ausgerechnet sie soll musikalisch nicht in Erscheinung treten. Einige wenige Kompositionen veröffentlicht der Bruder unter seinem Namen, so dass sie zumindest in den Druck gelangen, die meisten aber werden nur im privaten Rahmen aufgeführt. Bei den Sonntagsmatineen, die der Vater Abraham Mendelssohn seit 1822 im Gartenhaus der Leipziger Straße 3 veranstaltet.
Immerhin bieten diese Konzerte, die später Fanny organisiert und leitet, ihr ein Podium, ihre eigenen Fähigkeiten auszuprobieren. Hier im Kreise eines elitären Publikums führt Fanny unter anderem auch ihre eigenen Werke auf. Sie konzertiert und sie leitet das Orchester. Und doch kann sie ihren größten künstlerischen Makel niemals überwinden: Sie ist und bleibt eine Frau. "Dass man übrigens seine elende Weibsnatur jeden Tag, auf jeden Schritt seines Lebens von den Herren der Schöpfung vorgerückt bekommt, ist ein Punkt, der einen in Wuth und somit um die Weiblichkeit bringen könnte, wenn nicht dadurch das Uebel ärger würde."
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Fanny Mendelssohn: Overture in C Major (ROCO)
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Sendung: "Allegro" am 27. Februar 2024 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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