New York, 25. Oktober 1944. Die Millionen-Erbin Florence Foster Jenkins gibt einen Liederabend in der Carnegie-Hall. Der alte Witz darüber, wie man in das weltberühmte Konzerthaus gelangt, ist da nur zum Teil korrekt. Regelmäßiges und ausdauerndes Üben ist bei weitem kein Garant für einen Auftritt in dem legendären Gebäude im Herzen New Yorks. Wer wirklich sichergehen will, eines Tages in der Carnegie-Hall zu landen, der kauft sich eine Eintrittskarte. Oder aber: mietet sich dort einfach ein. Wie Madame Jenkins.
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Die Sendung zum Anhören
Als Florence Foster Jenkins an diesem Abend auf die Bühne des großen Konzertsaals der Carnegie Hall tritt, ist der Zuschauerraum bis auf den letzten Platz besetzt. Die Karten sind innerhalb weniger Stunden vergriffen, zweitausend potentielle Konzertgänger*innen gehen leer aus, auf dem Schwarzmarkt werden die Tickets für das Zehnfache des Ursprungspreises gehandelt. Die damals bereits 76-jährige Mäzenin und Hobbysängerin hatte damit ihren Lebenstraum verwirklicht: An diesem Abend ist sie ein Star, eine gefeierte Opern-Diva.
Tatsächlich war Narcissa Florence Foster, so ihr Mädchenname, als junge Frau eine begabte und bewunderte Pianistin. Irgendwas muss aber geschehen sein in den ersten Jahrzehnten ihres Lebens, das sie alle Musikalität verlieren ließ. Wahrscheinlich war es die Syphilis – mit der hatte sie ihr untreuer Ehemann angesteckt. Von ihm ließ sie sich bald wieder scheiden. Und mit dem gewaltigen Vermögen ihrer Familie im Rücken konnte sich Florence ganz auf ihre Gesangskarriere konzentrieren.
Schon lange vor ihrem Konzertabend in der Carnegie-Hall hatte Foster Jenkins mit ihrem Gesang eine große Schar von Verehrern um sich versammelt. Zugang zu diesen intimen Veranstaltungen gab es für gewöhnlich nur nach einem rigorosen Auswahlverfahren, zu dem auch ein persönliches Gespräch mit der Primadonna selbst in ihrem New Yorker Appartement gehörte. Ihre Zuhörerschaft, zu der auch Größen wie etwa Cole Porter oder der Komponist Gian Carlo Menotti gehören, hatte sich auf gewisse Rituale während dieser – auch für das Publikum nicht ganz unanstrengenden – Konzertereignisse verständigt. Um die verehrte Madame Jenkins nicht durch lautes Gelächter zu verletzten, tarnten die ehrerbietigen Fans ihre Heiterkeitsanfälle bei besonders absurden und schiefen Stellen durch lautes Klatschen, Pfeifen und Getrampel.
Der Lärm an diesem Abend muss ohrenbetäubend gewesen sein. Ein Augenzeuge berichtet: "Es war das lächerlichste, was ich je gesehen habe – aber Florence war sehr zufrieden damit. Noch nie habe ich in der Carnegie-Hall solchen Enthusiasmus, solchen Applaus erlebt."
Florence Foster Jenkins stirbt einen Monat nach ihrem großen Auftritt. "Man kann vielleicht sagen, dass ich nicht singen kann", hatte sie über sich gesagt. "Aber niemand kann sagen, dass ich nicht gesungen habe."
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Sendung: "Allegro" am 25. Oktober 2022 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK