Paris, 10.Juli 1979. Die Mezzosopranistin Grace Bumbry wird ausgebuht und will die Vorstellung abbrechen, kann aber zum Weitersingen überredet werden: in der weiblichen Hauptrolle von Giuseppe Verdis Oper "Nabucco" an einem heißen Juli-Abend in Paris.
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Es ist heiß an diesem Abend im Palais Garnier der Opéra. Zu Beginn des zweiten Aktes von Verdis "Nabucco" hat die weibliche Hauptfigur der Abigaille große Intervallsprünge zu bewältigen. Grace Bumbry missglücken mehrere Spitzentöne. Das Publikum buht gnadenlos - der Vorhang fällt. Ein Herr im Frack erklärt: Grace Bumbry ist in ihrer Garderobe verschwunden, will offenbar die Vorstellung abbrechen.
Der Intendant überredet sie, auf die Bühne zurückzukehren. Nach zwanzig Minuten passiert immer noch nichts. Ob es überhaupt weitergeht? Aber ja – und wie! Die Primadonna hat ihre Verschnaufpause offenbar genutzt, um ihre Stimmbänder zu ölen. In den verbleibenden zweieinhalb Akten der Oper trumpft Grace Bumbry so fulminant auf, dass ihr die zuvor so strengen Pariser Gesangsfans am Ende zu Füßen liegen.
Nach einigen Aufführungen trennt sich Grace Bumbry wieder von der Rolle, die nun mal einen dramatischen Sopran verlangt. Die von Verdi für Abigaille ungeniert geforderte Höhenluft zu atmen, ist für einen Mezzosopran logischerweise mit Mühe und Anstrengung verbunden. Dafür war Grace Bumbry eine Idealbesetzung für Azucena im "Trovatore", Eboli in "Don Carlos" oder Amneris in "Aida". Bisweilen locken halt die Kirschen in Nachbars Garten.
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Sendung: "Allegro" am 10. Juli 2024 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK