New York, 12. Oktober 1962: Das "Trio for Strings" von La Monte Young wird uraufgeführt. Die meisten seiner Kollegen halten den Komponisten für verrückt. Und dennoch sollte diese "Musik für Schildkröten" enormen Einfluss ausüben – auf Andy Warhol zum Beispiel.
Bildquelle: © La Monte Young and Marian Zazeela 1991
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"Der allererste Klang, an den ich mich erinnere, war der Wind, der durch die Ritzen unseres Blockhauses in Idaho blies. Er war schön und geheimnisvoll. Ich erinnere mich auch an den Klang eines Umspannwerks neben einem Gasdepot, wo mein Vater arbeitete. Manchmal, an warmen Tagen, kletterte ich auf die riesigen Treibstofftanks und saß dann in der heißen Sonne, roch die Benzindämpfe und lauschte dem Surren der Transformatoren." Lange statische Klänge haben es dem US-Amerikaner La Monte Young schon als Kind angetan. Und so besteht auch seine erste größere Partitur, die er 1959 als Student in Berkeley komponiert, aus seitenlangen Ketten von ganzen Noten.
Endlose Töne, unterbrochen von endlosen Pausen: Wenn Schildkröten Musik machen würden, müsste sie so klingen wie dieses Streichtrio. Der Komponist sagt dazu: "Keiner vor mir hat sich jemals dafür interessiert, lang gehaltene Töne ohne Melodien zu schreiben. Und fast niemand mochte das Stück; die meisten meiner Lehrer hielten mich für einen Fanatiker."
Und doch gibt es Menschen, für die wird Youngs Entdeckung der Langsamkeit zum Aha-Erlebnis. Terry Riley zum Beispiel, Youngs Studienkollege. Ihn fasziniert die Idee, aus wenigen Bausteinen ein langes Musikstück zu konstruieren. Das "Trio for Strings", obwohl im Zwölfton-Stil komponiert, wird so zur Initialzündung für eine ganz neue Musikrichtung: die "Minimal Music" – auch wenn die späteren Protagonisten dieses Stils La Monte Young an Popularität übertroffen haben - neben Riley sind dies Steve Reich, Phil Glass und – zumindest zum Teil – John Adams.
Als das Trio 1962 erstmals öffentlich aufgeführt wird, sitzt auch Andy Warhol im Publikum. Und lässt sich von den statischen Klängen inspirieren zu statischen Filmen, in denen eine Kamera einem Mann stundenlang beim Schlafen zuschaut – oder einfach nur das Empire State Building zeigt.
La Monte Young aber geht den Weg ins Innere der Töne konsequent weiter, versenkt sich immer tiefer in die Welt der Drones, der endlos wummernden Bässe, konzipiert das "Dream House", einen Raum, in dem der Klang niemals endet und in dem Young zeitweilig sogar wohnt. Und immer wieder kehrt er auch zu seinem frühen Streichtrio zurück. In der Fassung von 2015 dauert es drei Stunden. Eine musikalische Grenzerfahrung, gemäß La Monte Youngs Motto: "Kontrast ist etwas für Leute, die keine Musik schreiben können."
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Trio For Strings by La Monte Young - Grace Palanas and Katrina Saga
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Sendung: "Allegro" am 12. Oktober 2023 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK