Washington D.C., 9.April 1939: Die schwarze Altistin Marian Anderson singt am Lincoln Memorial. Sie steht zu Füßen der Statue von Präsident Lincoln. Ein symbolträchtiges Bild, denn es war dieser Präsident, der die Sklaven befreit und Freiheit und Gleichheit für alle verkündigt hatte.
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"Als wir aus dem Auto steigen, nahmen uns Polizisten in Empfang und führten uns durch ein Spalier weiterer Polizisten durch die Menge. Wir betraten das Monument und wurden in einen kleinen Raum geführt. Dann kam das Zeichen für meinen Auftritt."
Ursprünglich wollte Marian Anderson mit ihrem Klavierbegleiter nicht am Lincoln Denkmal singen, sondern in der Washingtoner Constitution Hall. Aber dies ist Sitz der erzkonservativen patriotischen Frauenvereinigung "Daugthers of the American Revolution", und die verweigert Anderson den Aufritt. Man habe ihr gesagt, alle Konzertdaten seien bereits vergeben und in den Statuten des Vereins stehe, dass der Verein niemals einen Raum an Farbige vermieten dürfe, so lauten die Begründungen, die die Zeitungen drucken. Ungeheuerlich, denn zu dem Zeitpunkt ist Marian Anderson nicht irgendwer, sie ist die bekannteste Sängerin der USA.
Die Verweigerung löst einen Proteststurm aus. Wochenlang ist sie Thema in den Zeitungen. Bürgerrechtler, Kirchenleute und Künstlerinnen setzen sich für die schwarze Altistin Marian Anderson ein. Eleanor Roosevelt, die Ehefrau des damaligen Präsidenten, tritt sofort aus dieser Frauenvereinigung aus; einer so großen Künstlerin aus Rassegründen den Konzertsaal zu verweigern ist für sie ein Affront. Innenminister Harold Ickes lädt die Sängerin stattdessen ein, im Freien vor dem Lincoln-Denkmal zu singen, bei freiem Eintritt für alle. Doch Marian Anderson zögert, soll sie wirklich zusagen?
"Als ich weiter darüber nachdachte, erkannte ich, dass ich als Person in dieser Angelegenheit nur eine untergeordnete Rolle spielte. Ich war, ob es mir behagte oder nicht, zu einem Symbol geworden und vertrat meine Rasse. Ich musste auftreten."
Sie steht zu Füßen der Statue von Präsident Lincoln. Ein symbolträchtiges Bild, schließlich war es dieser Präsident, der die Sklaven befreit und Freiheit und Gleichheit für alle verkündigt hatte. Marian Anderson erinnert sich: "Damals empfand ich nur den Eindruck jener riesigen Menschenmenge. So weit das Auge reichte, gewahrte es nur Menschen. Die Menge bildete einen großen Halbkreis, der sich vom Lincoln-Denkmal um die blitzenden Wasser des Teiches bis zum Washington-Denkmal erstreckte. (…) Und als ich aufstand, um die Nationalhymne zu singen, spürte ich plötzlich ein Würgen im Halse. Ich sang und weiß nicht wie."
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Marian Anderson Sings at Lincoln Memorial
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Sendung: "Allegro" am 09. April 2024 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (1)
Dienstag, 09.April, 15:55 Uhr
Beate Schwärzler
Marian Anderson singt am Lincoln Memorial
Ich höre heute zum ersten Mal von dieser dunkelhäutigen Altistin.
Aber von Eleanor Roosevelt habe ich schon so Manches gehört.
Und daß sie ausgetreten ist - sofort ! - aus der erzkonservativen patriotischen Frauenvereinigung aus Protest,
weil Marian Anderson in deren Räumen nicht singen durfte ...
... Respekt !