Exeter, 29. August 1640: Rauferei auf dem Schulhof. Einer der beiden Kontrahenten sollte es im weiteren Leben weit bringen, sehr weit – bis zum königlichen Hofkomponisten. Als netter Mensch ist Matthew Locke allerdings auch später nicht bekannt geworden.
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"In Anbetracht der Tatsache, dass sich Richard und Matthew geprügelt und schlecht betragen haben, erteilt ihnen der Dekan eine ernsthafte Ermahnung, auf dass sie sich künftig besonnener und der Ordnung gemäß verhalten, bei Androhung eines Verweises von der Schule." So ist es in den Annalen der Schule zu lesen.
Richard und Matthew – zwei halbwüchsige Chorschüler an der Kathedrale von Exeter. Es ist nicht das erste Mal, dass der eine von ihnen auffällig wird. Ein Dickschädel, aufmüpfig, streitlustig – aber musikalisch hochbegabt. Schon ein paar Jahre zuvor, als er in den Stimmbruch kam, hatte er seinen Namen trotzig ins Gehäuse der Orgel eingeritzt: Matthew Locke.
Ein Sturkopf bleibt Matthew Locke auch noch, als er längst erwachsen geworden ist und ein aufstrebender Komponist. Als die Puritaner in England an die Macht kommen, konvertiert er demonstrativ zum Katholizismus. Als Cromwell die Republik ausruft, bekennt er sich zur Monarchie. Und als das Parlament die Schließung der Theater verfügt, komponiert er erst recht Schauspielmusiken.
Auch musikalisch geht er seinen eigenen Weg. Seine Instrumentalstücke sind gespickt mit kühnen Dissonanzen. So macht er sich unter Kennern rasch einen Namen und wird sogar für den jungen Henry Purcell zum Vorbild. Gefürchtet sind Lockes bissige Polemiken. Arrogant behauptet er, er habe "nie ein Instrumentalstück aus dem Ausland gesehen, das es wert gewesen wäre, von einem Engländer übertragen zu werden – ausgenommen vielleicht ein paar wenige französische Couranten." Und im Streit um eine Reform der Notenschrift vergleicht er seinen Widersacher mit "ganz gewöhnlichen Verbrechern, über die zwei oder drei Tage nach ihrer Hinrichtung kaum noch jemand spricht."
Wallende Perücke, feines Bärtchen und überheblicher Blick: so lässt er sich porträtieren, als er bereits königlicher Hofkomponist geworden ist. Charles II. hatte die englische Monarchie wiederhergestellt und Locke die Krönungsmusik dazu komponiert. Vom Prügelknaben zum wichtigsten Komponisten des Königreichs – da hätte der Dekan von Exeter, der Locke einst gerügt hatte, nicht schlecht gestaunt.
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Matthew Locke : Curtain Tune par le Quatuor Kitgut
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Sendung: "Allegro" am 29. August 2023 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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