New York, 2. Mai 1936: Der Geigenvirtuose Michael Rabin wird geboren. Er hätte ein Weltstar sein können. Aber seine Psyche erträgt den Stress nicht. Drogen waren der Anfang vom Ende.
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Seine Finger flirren über die Violinsaiten. Michael Rabin steht in den Capitol Studios seiner Heimatstadt New York. Auf seiner hohen Stirn glänzen ein paar Schweißperlen. Mit konzentriertem Blick nimmt er alle Solocapricen von Niccolo Paganini auf. Rabin ist 22 Jahre alt – und seine kraftvolle Paganini-Einspielung wird lange als unübertroffen gelten.
Mit seiner Virtuosität bringt der junge Geiger die Klassikwelt zum Staunen. Sein Ton berührt, seine Technik ist perfekt. Schon als kleines Kind verblüfft er seine Musikereltern, weil er unglaublich schnell Fortschritte auf der Geige macht. Mit dreizehn gibt Rabin sein Debüt in der New Yorker Carnegie Hall, ein Jahr später hat er einen Plattenvertrag. Und der sonst so kritische Dirigent George Szell muss den Erfolg Rabins anerkennen
Rabin ist das größte Geigentalent, das mir während der letzten zwei oder drei Jahrzehnte untergekommen ist.
Michael Rabins Ausnahmetalent spricht sich herum. Der junge Geiger konzertiert pausenlos. Er reist dabei kreuz und quer durch Nord- und Südamerika, unternimmt Tourneen in Europa und in Australien. Vor allem virtuose Stücken wollen die Leute von ihm hören. Immer wieder Paganini, Sarasate, Wieniawski. Doch der Hype um das amerikanische Wunderkind hinterlässt seine Spuren. Michael Rabin kann sich so gut wie keine Auszeit nehmen, seine Kraftreserven sind erschöpft.
Wir Solisten sind allesamt Sklaven unseres Instruments.
Und irgendwann ist der Druck einfach zu groß. Wenn Rabin aufs Podium tritt, durchzuckt ihn eine plötzliche Angst, er könne vom Bühnenrand fallen. Der Geiger versucht, den Stress unter Kontrolle zu bringen, indem er Medikamente und Drogen nimmt. Seinen 36. Geburtstag sollte Michael Rabin nicht mehr erleben. An einem Januartag rutscht er in seinem Wohnzimmer auf dem Parkettboden aus und schlägt mit dem Kopf auf einen Stuhl. Schädelbruch und schwere Hirnverletzung – das tragische Ende eines der größten Geigentalente des 20. Jahrhunderts.
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MICHAEL RABIN. P. Tchaikovsky - Violin Concerto (Finale)
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Sendung: "Allegro" am 2. Mai 2022 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK