München, 07. Oktober 1945. Der Komponist Karl Amadeus Hartmann veranstaltet im Prinzregententheater das allererste Musica-Viva-Konzert. Diese Konzertreihe ist bis heute eine Erfolgsgeschichte.
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Bild: Das Ehepaar Hartmann mit Igor Strawinsky (rechts)
Oktober 1945 – das ist ein paar Monate nach Kriegsende. Instrumente? Was halt noch da ist und die Brände überstanden hat. Notenmaterial? Was die Bombardierung überdauert hat. Hunger, Kälte, Krankheit, Schutt und Staub – im Überfluss. Und dazu braucht es neue Musik? Ja, braucht es dringend für die geschundenen Seelen. Dank Karl Amadeus Hartmann. Der Posaunist und Komponist hatte sich nach der Machtergreifung 1933 in die innere Emigration zurückgezogen und in Winterstarre den Nationalsozialismus boykottiert und überlebt. Jetzt ist seine Zeit gekommen: Dank der US-Militärregierung darf er sich – als Unbescholtener – um das Musikleben in München kümmern, also Konzerte organisieren. Und das macht er enthusiastisch.
Unter Aufsicht der amerikanischen Militärregierung versammeln sich am 7. Oktober 1945 im kaum zerstörten Prinzregententheater circa 20 Besucher, mehr sind es tatsächlich erst mal nicht. Aber diese wenigen saugen begierig ein musikkulturelles Erbe auf, das ihnen jahrelang vorenthalten worden war, und das sie bei Strafe auch nicht hätten hören dürfen, wegen "Judentum" und "Entartung" etc.
Gut: Debussy, Busoni, Mahler, das ist jetzt noch nicht die zeitgenössische Musik, die wir heutzutage gewohnt sind bei der musica viva, aber Hartmann will es ja auch vorsichtig angehen und die kriegserschöpften Menschen nicht gleich überfordern.
Der Erfolg jedenfalls ist enorm. Dank Mundpropaganda vervielfacht sich schon beim nächsten Konzert die Besucherzahl und die neue Konzertreihe nimmt Konturen an: Bald übernimmt Radio München bzw. der Bayerische Rundfunk die Schirmherrschaft, damit stehen auch ein Orchester und ein Chor zur Verfügung. Nach und nach ergänzen Uraufführungen das Angebot – und bis heute ist die musica viva eine Erfolgsgeschichte am Puls der Musik von heute.
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Sendung: "Allegro" am 07. Oktober 2024 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK