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Paul Desmond wird geboren Saxophon-Linien wie klingender Samt

San Francisco, 25. November 1924. Paul Desmond wird geboren. So wie er klang niemand. Vor allem, wenn er bis fünf zählte. "Take Five" heißt ein Jazz-Hit, den der Saxophonist Paul Desmond für die Band des Pianisten Dave Brubeck schrieb. Seidig und luftig schlängelt sich der Klang seines Instruments dabei in die Höhe. Er selbst wurde nur 52 Jahre alt. Am 25. November wäre sein 100. Geburtstag.

Bildquelle: Courtesy Everett Collection-dpa

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Sein berühmtestes Stück kennen viele: den Millionen-Seller "Take Five". Und viele denken, es stamme von jemand anderem, nämlich dem Pianisten Dave Brubeck. Eben nicht. Der war dabei. Er war sogar der Anreger. Und seine Band spielte das Stück. Aber ausgedacht hat sich diese Musik ein anderer: der Mann, der das Altsaxophon in dieser und anderen Aufnahmen so ungemein weich blies, Paul Desmond.

ER HIESS EIGENTLICH PAUL EMIL BREITENFELD

Ein adretter Typ mit Anzug und Brille, sanft lächelnd, freundliche Züge, vielleicht etwas blass im Gesicht – aber einer mit ganz starkem Profil als Musiker. Paul Emil Breitenfeld hieß er eigentlich. Er war der Sohn einer Irin und eines jüdischen Stummfilm-Organisten. Und: einer jener Jazzmusiker, die man am ersten Ton erkennt.

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Take Five

EIN NEBENPRODUKT WURDE ZUM WELTHIT

Es muss nicht immer "Take Five" sein. Dieser 5/4-Takt-Hit, eine der berühmtesten Kompositionen des Jazz, war eher ein Nebenprodukt. Bandleader Dave Brubeck hatte Paul Desmond und den Schlagzeuger Joe Morello in einer Proben-Pause dabei beobachtet, wie sie über einem 5/4-Takt improvisierten. Er ermunterte Desmond dazu, doch ein Stück in dieser Taktart zu schreiben – denn für ein geplantes Album mit Stücken voll ungewöhnlicher Metren brauchte er noch Material. Als Desmond das nächste Mal mit zwei Melodien ankam, die sich nicht recht zu einer Einheit fügen wollten, schlug ihm Brubeck vor, die zweite seiner Melodien, eine sich nach oben schlängelnde Linie in es-Moll, zum ersten Thema des Stücks zu machen, und die erste, mit musikalischen Leuchtpunkten über einem Ces-Dur-Akkord beginnende Melodie zum zweiten. So nahm das Stück "Take Five" Gestalt an. Der Titel drückt eigentlich die Aufforderung aus, sich mal fünf Minuten Zeit zu nehmen – hier jedoch geht es auch um die fünf Schläge des speziellen Taktes.

DAS ENDE AM ANFANG DENKEN

Paul Desmond konnte weit mehr. Er war ein Improvisator von Ausnahmeformat. Die Kunst, das Ende schon am Anfang zu denken: Er beherrschte sie wie nur wenige. Vollendete Form hatte, was er spielte. Er sagte: "Wissen Sie, wie man das alte Problem Improvisation und Komposition im Jazz am besten löst? Ganz einfach: Man reist immer mit einem Bandgerät. So kann man aufbewahren, was gut ist. Man kann aufbewahren, was man braucht, um weiterzukommen. So kann einer, der ein Leben lang Jazz improvisiert, mehr Musik hervorbringen, als einer, der fünfhundert Jahre lang Noten schreibt."

MIT LEISEN TÖNEN BESONDERS INTENSIV KLINGEN

Bei Paul Desmond hätte sich das Tonbandgerät gelohnt. Logisch, schlüssig und doch stets überraschend waren die Improvisationen, die von ihm überliefert sind. Er hatte Stil. Und sein Altsaxophon-Sound war der wohl geschmeidigste, den es je gab. Zart wie eine Querflöte konnte das Instrument bei ihm klingen. Nicht nur mit Pianist Dave Brubeck machte er Aufnahmen von zeitlosem Reiz, auch mit dem Baritonsaxophonisten Gerry Mulligan und dem Gitarristen Jim Hall, Letzterer wie Desmond selbst ein Musiker, der mit sehr leisen Tönen besonders intensiv klingen konnte. Wie die beiden etwa in einer Aufnahme vom September 1959 das Jahrhunderte alte englische Lied "Greensleeves" zum melancholischen Leuchten brachten, ist unerreicht: ein Saxophonklang wie Samt, ein Gitarrensound wie zarte Tautropfen.

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Greensleeves/Paul Desmond

DAS COOLE KLINGT ZIEMLICH WARM

Paul Desmond war ein Einzigartiger. "Cool Jazz" nannte man Musik wie seine, weil sie so intellektuell abgeklärt war. Und doch: Kann Jazz wärmer klingen? Viel zu jung, mit 52, starb Desmond am 30. Mai 1977 in New York an Lungenkrebs. Sein komplettes Erbe vermachte er dem Roten Kreuz – auch die Tantiemen seines Millionen-Erfolgs "Take Five". Bereits 2011 hatte das dem amerikanischen Roten Kreuz über sechs Millionen Dollar eingebracht.

HÖRT SEINE STÜCKE FÜNF MAL!

Was Desmond spielte, ist ewiges Jazz-Erbe – mit Geld kaum aufzuwiegen. Lauter Stücke, die man auch fünfmal am Tag hören könnte. Gute Idee. Selbst wenn die Aufforderung "Take Five" so nicht gemeint war.

Was heute geschah

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Sendung: "Allegro" am 25. November 2024 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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