Im Jahr 1717 tritt Johann Sebastian Bach als "hochfürstlich Anhalt-Köthenischer Kappelmeister" in die Dienste des jungen künstlerisch aufgeschlossenen Fürsten Leopold. In Köthen komponiert er die so genannten "Brandenburgischen Konzerte" – für verschiedenste Instrumentalbesetzungen. Manch ein Instrument existiert heute gar nicht mehr – wie beispielsweise die vom Bach geforderten "Fiauti d’echo" im Vierten Brandenburgischen Konzert. Doch die Musiker von Concerto Köln wusste sich zu helfen. Julia Smilga hat mit der Flötistin Cordula Breuer von Concerto Köln über dieses Konzert gesprochen.
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Gemeinsam ist ihnen nur der Name des Komponisten: Die sechs Brandenburgischen Konzerte sind so verschieden, wie es zu der Zeit nur denkbar war. Sie unterstreichen Bachs Kunst, alles aus bereits vorhandenen Formen und Genres herauszuholen, dabei bestehende Grenzen und Normen zu verschieben, um schließlich etwas völlig Neues zu schaffen. "Bach hat ja viel experimentiert, und gerade die Brandenburgischen Konzerte sind extrem bunt und farbig", sagt Cordula Breuer. "Da gibt es die ungewöhnlichsten Kombinationen, zum Beispiel im Zweiten Konzert Trompete und Blockflöte als Soloinstrumente. Das sind Instrumente, die von der Dynamik her sehr unterschiedlich sind, aber doch miteinander wettstreiten. Bach hat das so geschickt gesetzt, dass man beide Instrumente hört."
Das Vierte Brandenburgische Konzert stellte die Flötistin des Ensembles Concerto Köln vor eine ganz neue Frage: Welches Instrument konnte Bach mit seiner Bezeichnung "Fiauti d'echo" gemeint haben? Es ist bisher das einzige bekannte Werk, das diese geheimnisvollen Instrumente einsetzt. Die modernen Ensembles lösen das Problem meist so, indem sie zwei Flöten in verschiedene Positionen innerhalb des Raumes stellen, um auf diese Weise eine Echowirkung zu erzielen. Cordula Breuer glaubt allerdings nicht, dass diese Lösung im Sinne Bachs ist: "Es wird ja ein Instrument verlangt, und nicht eine Aufstellung!"
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Die Flötistin Cordula Breuer | Bildquelle: lichtstadt-luedenscheid.de Das Thema ließ die Flötistin nicht ruhen. Sie suchte in Archiven nach den "Fiauti d'echo": "Es existiert einfach kein Originalinstrument . Was es allerdings gibt, sind Beschreibungen – aus England und auch aus Frankreich, von Flötenbauern und Theoretikern. Demzufolge handelte es sich um ein Instrument mit zwei verschieden starken Seiten, sozusagen einer Forteseite und einer Pianoseite, im Prinzip also um eine Flöte mit zwei Rohren. Wir sind dann auf die Idee gekommen, erst einmal zwei Flöten nebeneinander zu halten – was würde das bringen, ist es überhaupt machbar? Das ist natürlich ein riesiger Abstand, der mit den Fingern kaum zu bewältigen ist. Und so habe ich mit Andreas Schöni, einem Flötenbauer aus der Schweiz, der uns beim Entwickeln dieser Instrumente geholfen hat, einen Typus gefunden, der an eine Doppelflöte aus der Renaissancezeit erinnert."
Alle Leute sind total begeistert, wieviel Effekt es doch macht.
Es sind Unikate, die Cordula Breuer und ihr Kollege Wolfgang Dey im Vierten Brandenburgischen Konzert spielen. Von den neuen Echoflöten wurden bisher überhaupt nur zwei Exemplare gebaut. Dabei sind zwei verschieden weite Luftröhren in einen Holzkorpus eingebaut. Um den Echoklang zu erzeugen, muss man nur schnell genug wechseln. Cordula Breuer möchte ihr neues Instrument nicht mehr missen: "Es tut dem Stück sehr gut. Alle Leute sind total begeistert, wieviel Effekt es doch macht. Dazu kommt der tiefe Stimmton: Wir spielen das Werk ja in A=392, dadurch ist die Differenz zwischen laut und leise etwas mehr hörbar."
Im mittleren, langsamen Satz treten die Fiauti d'echo – zusammen mit der Sologeige – besonders in den Vordergrund. Die Idee des Echos ist hier eine sich wiederholende Unterbrechung einer Melodie. Es sind die gewissen Kommata im ruhigen Musikfluss, die aufhorchen lassen. Die tiefere, sogenannte französische Stimmung arbeitet vor allem im letzten Satz den Musikern entgegen. Die rasante Presto-Fuge erhält dadurch mehr Erdung, sagt Cordula Breuer: "Das bringt den Vorteil, dass die ganze Musik etwas aus dem Bauch kommt. Dazu kommt eine gewisse Entschleunigung, denn ein tiefer Stimmton ist gerne ein bisschen langsam. Er hat auch mehr Widerstand, die Saiten sind sozusagen schlapper, wenn man das so salopp sagen kann, und der Ansatzpunkt für den Bogen ist ganz anders. Und das kommt der Musik, die ja ohnehin schon sehr virtuos ist, sehr zu Gute."
Johann Sebastian Bach:
Brandenburgisches Konzert Nr. 4 G-Dur, BWV 1049
Concerto Köln
Label: Berlin Classics
Sendung: "Das starke Stück" am 21. Mai 2024, 19.05 Uhr auf BR-KLASSIK